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Bundesverfassungsgericht: Zeugenschutz geht vor Pressefreiheit

In Verfahren über Kindesmissbrauch durch Geistliche dürfen Gerichte bei Zeugenvernehmungen der Presse Geheimhaltungspflichten auferlegen. Zwar bestehe in solchen Verfahren ein „herausragendes öffentliches Informationsinteresse“, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Überwiege jedoch das Interesse der Betroffenen vor Schutz ihrer Intimsphäre, sei die Einschränkung der Pressefreiheit gerechtfertigt (AZ: 1 BvR 2036/23).

Hintergrund des Verfahrens waren Missbrauchsvorwürfe gegen einen katholischen Priester, der vom Kölner Kardinal Rainer Woelki befördert worden war. Die „Bild“-Zeitung hatte 2021 über den Vorwurf gegen den Priester berichtet: Unter andere soll er demnach Messdiener zu Saunabesuchen, Alkohol und Masturbation animiert haben. Im Zuge der Berichterstattung wurde der Geistliche beurlaubt, in einem kirchenrechtlichen Verfahren wurde er zwischenzeitlich freigesprochen.

Der Streit um die Vorwürfe landete auch vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht (OLG) Köln. Das OLG wollte die Angaben in der Presseberichterstattung prüfen und befragte das mutmaßliche Missbrauchsopfer als Zeugen. Die Öffentlichkeit wurde während der Zeugenaussage vom Verfahren ausgeschlossen. Der Presse wurde eine Geheimhaltungspflicht auferlegt, sodass sie nicht über die Aussage des Zeugen und dem Inhalt der Beweisaufnahme berichten durfte.

Dagegen legten ein Presseunternehmen und zwei Mitarbeiter Verfassungsbeschwerde ein. Sie müssten über wahre Tatsachen bei der Zeugenvernehmung berichten können. Ansonsten werde die Pressefreiheit verletzt.

Das Bundesverfassungsgericht hielt die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, da nicht nachvollziehbar begründet worden sei, warum die Pressefreiheit hier Vorrang vor dem Schutz der Intimsphäre des Zeugen haben solle. Zwar bestehe bei Missbrauchsvorwürfen gegenüber Geistlichen ein „herausragendes öffentliches Informationsinteresse“.

Gerichtsprozesse würden jedoch „zwar in der, aber nicht für die Öffentlichkeit stattfinden“. Hier überwiege das Interesse des Zeugen am Schutz seiner Intimsphäre. Gerichte seien zu deren Schutz berufen. Zu Recht habe das OLG daher die Presse zur Geheimhaltung über die Aussagen verpflichtet. Diese diene auch dazu, dass Zeugen in Gerichtsprozessen zur Aussage bereit sind und zur „ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung beitragen“. Das öffentliche Informationsinteresse sei nicht in gleicher Weise schützenswert wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, erklärten die Verfassungsrichter.