Im Gedenken an die Novemberpogrome der Nationalsozialisten vor 85 Jahren und angesichts aktueller antisemitischer Vorfälle hat der Bundestag mehr Schutz jüdischen Lebens in Deutschland gefordert.
Die historische Verantwortung Deutschlands für jüdisches Leben muss sich nach den Worten von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in konkretem Handeln zeigen. Angesichts der zunehmenden antisemitischen Vorfälle in der Folge des Nahostkrieges sei die Debatte über den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland in diesen Wochen dringender denn je, sagte Bas am Donnerstag in Berlin.
An der Debatte im Bundestag nahmen als Gäste auch die Berliner Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und der Botschafter Israels in Deutschland, Ron Prosor, teil.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, nicht einmal vor den Jüngsten mache der neu aufflammende Hass halt. “Wenn jüdische Kinder Angst haben müssen, zur Kita und in die Schule zu gehen, wenn wir strengere Sicherheitskonzepte brauchen, um sie auf dem Weg zum Unterricht zu schützen, dann beschämt mich das und bricht mir das Herz”, sagte Faeser. Das könne und werde man nicht hinnehmen. Wer Menschen angreife, müsse mit der ganzen Härte des Rechtsstaates rechnen. Bund und Länder arbeiteten hier eng zusammen. Es dürfe angesichts der Gräuel des Hamas-Terrors auch kein “Ja, aber” geben.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, verlangte, dass Antisemitismus auch strafrechtlich als besonders schwere Form der Volksverhetzung eingestuft werde. Außerdem sollten antisemitische Straftaten im Aufenthaltsgesetz zu einer Ausweisung führen, forderte Dobrindt. Wer nicht friedlich mit Israel und mit Juden leben wolle, könne auch nicht in Deutschland leben.
Die Debatte im Bundestag stand im Zeichen des Gedenkens an den 85. Jahrestag der vom NS-Regime organisierten und gesteuerten Novemberpogrome. Nach unterschiedlichen Schätzungen sind vom 7. bis 13. November 1938 im damaligen Reichsgebiet zwischen 400 und 1.300 Menschen ermordet oder in den Suizid getrieben worden. Mehr als 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Rund 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sagte, sein Beispiel und das Beispiel weiterer Abgeordneter zeige, dass Deutschland Heimat für Menschen unterschiedlicher Muttersprachen, Religionen und Weltanschauungen sei. Das erfordere aber auch Regeln. Sympathien für den Terror der Hamas zu zeigen, “geht nicht”, sagte Özdemir. “Wer damit ein Problem hat, muss künftig ein Problem haben.”
Der Co-Fraktionsvorsitzender der Linken, Dietmar Bartsch, sagte, jüdisches Leben gehöre “zur DNA des deutschen Selbstverständnisses als Land der Dichter und Denkerinnen”. Es bleibe eine Schande, wenn jüdische Einrichtungen vor Attacken geschützt werden müssten.
Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg unterstrich, dass “jeder Antisemitismus, egal aus welchem politischen Lager, egal mit welchem kulturellen Hintergrund gleichermaßen inakzeptabel” sei.