Die Menschen in Deutschland sollen künftig stärker über ihre Ernährungsmöglichkeiten mitbestimmen. Ein eigens dafür eingerichteter Bürgerrat ist am Freitag erstmals zusammengekommen. Das Gremium mit seinen 160 Mitgliedern tagt dann am Samstag und Sonntag.
Der Bundestag hatte im Mai die Einrichtung eines Bürgerrates “Ernährung im Wandel” beschlossen. Aufgabe des Bürgerrates soll es sein, einen Blick auf die bereits stattfindenden Umbrüche in der Ernährung zu richten und die Perspektive der Bürger in die politische Debatte mit einzubringen. Der Bundestag soll dadurch wiederum ein Bild davon bekommen, welche Maßnahmen die Bürgerinnen und Bürger für eine gesündere und nachhaltigere Ernährung wünschen oder welchen Beitrag sie selbst dafür bereit sind zu leisten. Ein Gutachten des Gremiums solle voraussichtlich im Februar 2024 dem Bundestag zur Diskussion vorgelegt werden.
Relevante Themen seien etwa die Klima- und Umweltverträglichkeit von Lebensmitteln, das Tierwohl, die Preisentwicklung im Handel, Lebensmittelverschwendung sowie Ernährungsbildung. Darüber sollen die Mitglieder des Gremiums unter Moderation von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis beraten.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas betonte bei der Begrüßung des Gremiums, für die Politik sei es wichtig, die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger zu kennen. Es sollten in dem Gremium auch Menschen zu Wort kommen, “die sich sonst nicht von selbst melden und lautstark ihre Meinung kundtun”. Der Bürgerrat solle auch aufzeigen, wo Konflikte bestünden.
Fachverbände äußern hingegen Skepsis. Die Verbraucherorganisation foodwatch wirft der Ampel Unwillen vor, den Bürgerwillen in der Ernährungspolitik umzusetzen. So wünschten sich zwei Drittel der Bevölkerung ein Verbot für Junkfood-Werbung, das aber von SPD und FDP blockiert werde. Dieser Stillstand werfe “einen düsteren Schatten auf den Bürger:innen-Rat”, erklärte foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann und warnte: “Er ist eine gute Idee, krankt aber daran, dass die Gesprächsrunde nur völlig unverbindliche Vorschläge machen darf. Ohne politischen Willen wird er versanden.”
Etwas optimistischer klingt es beim bundesweiten Netzwerk Ernährungsräte. “Es ist gut, dass es offenbar den Willen in der Koalition gibt, dem Thema Ernährung mit Bürgerräten mehr Gewicht zu verleihen”, sagte der Koordinator des Ernährungsrats für Köln und Umgebung, Florian Sander. “Grundsätzlich hoffen wir, dass aus den Empfehlungen des Bürgerrats Ernährung etwas rauskommt, was in den politischen Prozess überführt werden kann.” Gleichzeitig mahnte er konkrete Handlungsempfehlungen seitens des Bürgerrates und deren politische Umsetzung an. “Wahlkampf-Plattitüden wie ein Veggie-Day sind für uns als Ergebnis am Ende zu wenig.”