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Bernhard Vogel ist tot – Ministerpräsident der Rekorde

Ein Leben für Politik und Kirche: Bernhard Vogel prägte als CDU-Politiker über Jahrzehnte Rheinland-Pfalz und Thüringen – und blieb bis ins hohe Alter engagiert. Nun ist er im Alter von 92 Jahren gestorben.

Er war ein Mann der Superlative: Fast ein Vierteljahrhundert und damit länger als jeder andere war Bernhard Vogel Regierungschef, mit Rheinland-Pfalz und Thüringen leitete er als einziger Politiker ein Bundesland im Westen und eines im Osten. Am Sonntag ist der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) im Alter von 92 Jahren gestorben, wie die Thüringer Staatskanzlei auf Anfrage am Montag in Erfurt bestätigte.

Vogel, der Bruder des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel, bestach durch einen immer freundlichen und humorvollen Umgang. Verletzende Äußerungen waren ihm fremd. Selbst dann, wenn er Kritik übte, geschah das mit Respekt vor dem anderen und oft noch eingewickelt in ein Lob für das Gegenüber.

Vogel, der ewige Junggeselle ohne politischen oder privaten Skandal, war fest davon überzeugt, dass er so letztlich mehr Gehör fand und verändern konnte als mit Krach und Radau. Auch das ist eine Erklärung dafür, dass der seit Jahrzehnten in Speyer beheimatete Vogel weit über Rheinland-Pfalz und Thüringen hinaus sehr beliebt war. Bis zuletzt mischte sich Vogel – meist hinter den Kulissen – in tagesaktuelle Debatten und Entscheidungen ein, sein Rat war bis zuletzt sehr gefragt.

Über Jahrzehnte engagierte sich der Studienkollege Helmut Kohls nicht nur für die CDU und die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung, sondern auch für die katholische Kirche, für seine Kirche. Er bezeichnete sich als “überzeugtes und aktives Mitglied”. Von 1972 bis 1976 war er Chef des ZdK. Vier Jahrzehnte gehörte Vogel diesem obersten Laiengremium an.

Bis zuletzt hatte er intensiven Kontakt zur katholischen Kirche und war ein gern gesehener Gast im Speyerer Dom. Den Katholiken in Deutschland riet er, bei allen eigenen Problemen über den Tellerrand zu blicken. Die Weltkirche wachse, und der kirchliche Eurozentrismus gehe “früher oder später zu Ende”, sagte Vogel Ende 2012 – drei Monate später wurde mit Jorge Mario Bergoglio erstmals ein Lateinamerikaner Papst.

Nach dem Besuch der Volksschule und Gymnasien in Gießen und München machte Vogel 1953 in Bayern Abitur. Er studierte in München und Heidelberg Politikwissenschaft, Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft. Er promovierte bei Dolf Sternberger in Heidelberg, wo er vier Jahre Assistent und später Lehrbeauftragter am Institut für Politische Wissenschaft war. Vogel strebte zunächst eine wissenschaftliche Laufbahn an.

Doch es kam ganz anders. 1965 gewann er mit gerade mal 32 Jahren bei der Bundestagswahl das Direktmandat im Wahlkreis Neustadt an der Weinstraße und Speyer, legte das Mandat aber zwei Jahre später nieder und ging in die Landespolitik. Ein rasanter Aufstieg folgte: Er wurde Kultusminister, Chef im CDU-Bezirksverband Pfalz, Landesvorsitzender und schließlich Ministerpräsident, nachdem Helmut Kohl das Amt in Mainz niedergelegt hatte und in Bonn Oppositionschef wurde.

Nach innerparteilichem Streit wurde 1988 anstelle Vogels Hans-Otto Wilhelm zum Landesvorsitzenden gewählt. Vogel stellte daraufhin sein Amt als Ministerpräsident zur Verfügung. Der Abgang war spektakulär, nach den Worten “Gott schütze Rheinland-Pfalz” verließ der gezeichnete Politiker das Rednerpodium beim Koblenzer Landesparteitag. Doch Vogel kam zurück. Nach dem Aus für Ministerpräsident Josef Duchac (CDU) 1992 bat Kohl Vogel, nach Erfurt zu gehen. Er half, wie er es sagte, das “von den Sozialisten aufgelöste Land Thüringen wiederzubeleben und aufzubauen”.

Zu seinen wichtigsten politischen Entscheidungen gehörten nach eigener Sicht die Gründung der damaligen Doppeluniversität Trier-Kaiserslautern und der bundesweite Start des privaten Rundfunks 1984 in Ludwigshafen. Zu Vogels Bilanz gehörte auch, dass nicht alles gelang, etwa der Plan, nach der Wende den Kalibergbau in Thüringen zu erhalten. Bei anderen Dingen zeigte er sich später froh, dass sie scheiterten. Damit meinte er vor allem den aus heutiger Sicht kaum vorstellbaren Plan, im Hunsrück eine atomare Wiederaufbereitungsanlage wie im französischen La Hague zu errichten.

Doch auch nach dem endgültigen Ausscheiden als Ministerpräsident 2003 blieb Vogel der Politik verhaftet. Erneut übernahm der Katholik, der am Rande der Speyerer Altstadt wohnte, die Konrad-Adenauer-Stiftung und kümmerte sich um soziale Projekte. Zeitweise wurde er auch als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt.