Männer und Frauen in sportlicher Kleidung stehen an diesem kühlen Märzabend erwartungsvoll auf dem Vorplatz der Berliner Lindenkirche um Vikarin Friederike Feldmann. Die teilt vor der Kirche im Stadtteil Wilmersdorf blaue Kärtchen aus: „Worauf möchtest Du in deinem Leben verzichten und was hat dann mehr Platz?“, steht dick gedruckt neben dem Logo eines Läufers. Alle lesen, überlegen, stecken die Karten in ihre Jacken- oder Hosentaschen. Ein Aufwärmen folgt.
Die Passionszeit ist eine Zeit für viele Menschen, nicht nur Christen, bewusst auf Dinge oder Gewohnheiten, die sie sonst begleiten, zu verzichten: Süßes oder Fleisch zu essen, mit dem Auto zu fahren, Alkohol zu trinken, ständig in Eile zu sein. Bevor man eine Veränderung im Alltag anstrebt, muss man diese definieren. Das wissen auch die beiden Vikarinnen Friederike Feldmann und Pauline Wendel, die Vikarin in der Kirchengemeinde zum Heilsbronnen in Berlin-Schöneberg ist, wenn sie vor Ostern mit ihrem Angebot „Spirit in Motion“ – Geist in Bewegung – in Berlin an die Öffentlichkeit gehen. Sie möchten ihre Mitmenschen dabei unterstützen, zu „entschleunigen“, zu einem geistlichen und körperlichen „Reset“ aufrufen und sich auf besondere Art bewusst in der Passionszeit zu reflektieren und verorten.
Friederike Feldmann und Pauline Wendel haben sich im Predigerseminar in Wittenberg kennengelernt und schnell gemerkt, dass sie die Liebe zum Laufen teilen. „Dabei kommen einem Ideen und man kann gleich darüber nachdenken, reden, sogar beten“, erklärt Friederike Feldmann. Weil beide im Rahmen ihres Zweiten Theologischen Examens ein Gemeindeprojekt entwickeln müssen, starteten sie gemeinsam die praxisnahe Aktion „Spirit in Motion“.
Sportliche Aktion in Berlin: Erst die Walker, dann die Jogger
Pauline Wendel und Friederike Feldmann haben eine Steuerungsgruppe aus je zwei Ehrenamtlichen beratend an ihrer Seite und im Vorfeld auf vielen Kanälen Werbung gemacht: Große Banner an den beiden Kirchen, Flyer, Aufkleber und natürlich die Gemeinde-Webseiten und Instagram. In blauen T-Shirts mit dem aufgedruckten Laufmotto erwarten sie ihre Mitläufer und Walker zeitgleich vor den beiden Kirchen, um von zwei Seiten aus im Volkspark Wilmersdorf aufeinander zuzulaufen. Die Walker gehen zuerst an den Start.

Während des Laufens und Gehens haben die Teilnehmenden Zeit, sich kennenzulernen, zu reden und auch über die Frage auf ihren Kärtchen nachzudenken. Genauso, wie es die Vikarinnen beabsichtigten. „Wir werden zu jedem Termin eine neue Frage mitbringen, abgestimmt mit unserer Steuerungsgruppe. Über die können wir uns im Park austauschen“, sagt Friederike Feldmann. Und natürlich sollen die Fragen, die Teilnehmer auch in der vorösterlichen Zeit begleiten, gern weitergegeben werden. „Man könnte sie abfotografieren und immer auf dem Smartphone haben“, schlägt eine Läuferin vor.
Beim Laufen geht’s auch um Gemeinschaft
Die beiden jungen Frauen hoffen, dass ihre passionsbegleitende aktive Meditation einen niedrigschwelligen Einstieg darstellt, andere Laufbegeisterte kennenzulernen und vielleicht auch Kirchenferne anspricht. Irene Kalina walkt mit zwei Frauen von der Lindenkirche aus. „Ich bin wegen der Gemeinschaft gekommen. Mal sehen, wo’s hingeht“, sagt sie freudig, obwohl ihr sichtlich kühl ist. Am Treffpunkt „Hoher Bogen“ im Park haben manche schon Antworten auf die gestellte Frage.
„Social Media ist ein Zeitfresser“, befindet eine Konfirmandin. Anstatt von negativen Nachrichten überschwemmt zu werden, will sie die Passionszeit bewusst und nicht digital genießen. Andere wollen auf Fleisch verzichten. „Ich war erstaunt, wie angeregt Konfirmanden und Eltern- und Großelterngeneration kommuniziert haben“, freut sich Pauline Wendel. Auch ein katholischer Geistlicher sei dabei gewesen. Der erste Termin war ein richtig guter Anfang.