Caravaggio, Klee, Wenders – die Liste der Namen wirkt bunt zusammengewürfelt. Eine Ausstellung im Berliner Bode-Museum zum 80. Jahrestag des Kriegsendes zeigt, warum diese drei Künstler sehr wohl in einen Raum passen.
“Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt.” Mit diesen Worten beschrieb einst der Philosoph Walter Benjamin (1892-1940) das Aquarell, das jetzt im Zentrum einer Sonderausstellung im Berliner Bode-Museum steht.
Er war 28 Jahre alt, als er das Bild von Paul Klee in einer Münchner Galerie erwarb. Es hat ihn beschäftigt und begleitet. 1933 ging der jüdische Philosoph Benjamin wenige Wochen nach Hitlers Machtergreifung nach Paris ins Exil. Im Gepäck hatte er Klees Engel. In einem seiner letzten Werke schrieb er 1939/40 über diesen: “Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen.”
Der Vergangenheit zugewandt werde dieser durch einen Sturm “vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat” unaufhaltsam in die Zukunft getrieben. Der Blick zurück sei gerichtet auf einen großen Trümmerhaufen, schrieb Benjamin.
“Der Engel der Geschichte” titelt die Sonderausstellung zum 80. Jahrestag des Kriegsendes. Das Kriegsende erlebte Benjamin selbst nicht. Vor den Nazis bis nach Katalonien geflohen, hatte er noch immer die Sorge, an die Deutschen ausgeliefert zu werden. Ende September 1940 nahm er sich das Leben.
“Wir betrachten Krieg und Kriegsende von ihren Folgen her”, sagt Museumsdirektorin Antje Scherner über die neue Ausstellung. Der Blick der Besucher solle sich auf das richten, was der Krieg hinterlassen hat: zerstörte und verschollene Kunstwerke. Ein Trümmerhaufen.
Verschollene Kunst in einer Ausstellung? Möglich macht das eine Fotografie in Originalgröße. Sie zeigt ein Gemälde des Barockmalers Caravaggio (1571-1610): “Der heilige Matthäus und der Engel” wurde Opfer von zwei Bränden im Luftschutzbunker Berlin-Friedrichshain. Dort lagerten im Zweiten Weltkrieg unzählige Kunstwerke: Gemälde und Skulpturen.
Benjamin bereiteten Fotografie und Film Sorge, liest man in der Ausstellung. In den 1930er Jahren beklagte er in einem Essay, dass die Aura der Originalwerke verloren ginge, wenn sie so einfach vervielfältigt werden könnten. Dazu schreibt das Museum: “Dieses Gemälde von Caravaggio scheint uns das Gegenteil zu beweisen”. Die Tatsache, dass das Kunstwerk verschwunden sei, verleihe der Reproduktion eine gewisse Aura.
Wegen Benjamins Skepsis gegenüber Reproduktionen wäre es unvorstellbar gewesen, diese Ausstellung ohne den originalen “Angelus Novus” durchzuführen, sagt Kurator Neville Rowley. Dieser befindet sich normalerweise im Israel Museum in Jerusalem. Bis zum 13. Juli ist er nun in der Berliner Schau zu sehen.
Rund zehn Engel in der Dauerausstellung sind Teil des Rundgangs, bevor der Besucher am Ende in einen in dunklem Rot gehaltenen Raum gelangt. Dort befinden sich neben Klee, Caravaggio und einer durch den Brand schwer beschädigten Engelsskulptur auch filmische Auszüge aus Wim Wenders’ “Der Himmel über Berlin”, worin der Star-Regisseur Bezug auf Benjamins Ausführungen nimmt.