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Aufmarsch für Agrarwende

Tausende protestieren in Berlin gegen Bauernhofsterben und Massentierhaltung. „Wir haben Agrarindustrie satt“ war das Motto der Kundgebung parallel zur Internationalen Grünen Woche

Rolf Zoellner

Berlin – Tausende Menschen haben in Berlin für eine Wende in der Agrarpolitik demonstriert. Angeführt von rund 130 Traktoren forderten die Demonstranten einen tier- und umweltgerechten Umbau der Landwirtschaft. Der Bundesregierung warfen sie unter anderem vor, nichts gegen anhaltendes Bauernhofsterben und Konzentrationsprozesse in der Agrarindustrie zu unternehmen. Auch die Massentierhaltung und schlechte Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie wurden kritisiert.
Zu der Demonstration vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor hatte ein Bündnis aus rund 100 Organisationen aufgerufen, darunter Umwelt-, Tierschutz- und alternative Agrarverbände. Laut Veranstalter beteiligten sich 18 000 Menschen an dem bunten Demonstrationszug. Ein Polizeisprecher sprach von mehr als 10 000 Teilnehmern.
Die Demonstration, die parallel zur Internationalen Grünen Woche in Berlin stattfand, stand in diesem Jahr unter dem Motto „Wir haben Agrarindustrie satt!“. Bereits am Morgen hatten sich einige Hundert Demonstranten, darunter viele Landwirte, am Hauptbahnhof zu einer Gegenkundgebung unter dem Motto „Dialog statt Protest – Wir machen Euch satt!“ versammelt.
Der Sprecher des „Wir haben es satt!“-Bündnisses, Jochen Fritz, sprach sich zum Auftakt des Umzuges durch das Regierungsviertel für ein Ende der Subventionen für die Agrarindustrie aus. „Stattdessen brauchen wir Anreize für Bauern, die Tiere besonders artgerecht halten und umweltschonend wirtschaften“, sagte Fritz.
Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, warf der aktuellen Agrarpolitik vor, verantwortlich für Höfesterben, Umweltschäden und Artenschwund zu sein. „Eine Agrarwende, die Bauern wieder eine Zukunft gibt, ist längst überfällig.“ Außerdem müsse die Tierhaltung so gestaltet werden, dass sie gesellschaftlich akzeptiert wird, unterstrich Weiger.
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kritisierte die Massentierhaltung. Das Tierschutzgesetz lasse immer noch „die millionenfache Qual von Tieren in landwirtschaftlicher Haltung zu“, sagte Schröder und nannte als Beispiele die massenweise Tötung männlicher lebensfähiger Küken und die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung. „Das alles haben wir satt“, betonte Schröder. Auf Transparenten sprachen sich Demonstranten unter anderem gegen „Tierfabriken“, „Megaställe“ und „Landgrabbing“ aus.
Zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche kritisierte auch der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch scharf die Massentierhaltung in Deutschland. „Wir können die Augen nicht verschließen vor katastrophalen Zuständen in den großen Tierfabriken“, sagte Koch im RBB-Hörfunk. Wer Tiere als Ware missbrauche, schrecke auch vor weiterer Rücksichtslosigkeit nicht zurück: „Grundwasser wird verseucht und Billiglöhne sorgen für ein modernes Sklaventum“, kritisierte der katholische Geistliche.
Die Grüne Woche, die am 29. Januar endet, gilt als eine der weltweit größten Leistungsschauen der Agrarbranche. epd/KNA