Trotz bislang überwiegender Bedenken von Sachverständigen wird die Bundesregierung die Idee der Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU zur Begrenzung der Migration weiter verfolgen. Nach Beratungen mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend in Berlin, es sei „fest vereinbart worden, den Prozess fortzuführen“. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), sagte, man werde nicht bei Gutachten stehen bleiben. Jetzt würden „Modelle geliefert und konkrete Vorschläge zur Umsetzung gemacht“, erklärte er.
Insbesondere die Union drängt auf die Auslagerung von Asylverfahren in Transitstaaten, die Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa durchqueren, oder sogar gänzlich unbeteiligte Drittstaaten. Auf Druck der CDU- und CSU-Länderchefs hatte Scholz beim vergangenen Treffen mit den Ministerpräsidenten eine Prüfung dieser Idee zugesagt.
Das Bundesinnenministerium hatte für das neuerliche Treffen einen Sachstandsbericht erstellt. Der Bericht, der am Donnerstagabend veröffentlicht wurde, prüfte bislang vereinbarte Modelle wie solche zwischen Großbritannien und Ruanda sowie Italien und Albanien und kommt dabei zum Schluss, dass sie für Deutschland nicht übertragbar wären. Zudem formuliert er viele rechtliche und praktische Bedenken gegen die Verlagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU.
Die Länder hatten sich bereits vor dem Treffen mit Scholz darauf verständigt, von der Bundesregierung dennoch „konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten“ zu fordern. Scholz sagte nun zu, beim nächsten Treffen über weitere Prüfungen zu berichten.
Er selbst vermied am Donnerstag ein klares Ja oder Nein zu solchen Plänen. Dafür sei es zu früh, sagte er. Skepsis aus den Reihen der Bundesregierung kam aber von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Sie warnte vor einer „Scheinlösung“. „Wo dieser Ansatz bereits ausprobiert wird, erweist er sich als teuer und ineffektiv“, sagte die Ministerin dem epd.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) äußerte sich skeptisch, vor allem, was Pläne für Drittstaaten angeht. Bei den Transitstaaten sei das Potenzial einer Realisierung gegebenenfalls größer, sagte er. Man müsse aber nun die weiteren Prüfungen der Bundesregierung abwarten.
Scholz verwies zugleich auf die jetzt anstehende Umsetzung der EU-Asylreform und die in seinen Augen erreichten Erfolge bisheriger Maßnahmen, etwa durch Grenzkontrollen oder schärfere Abschieberegeln. Die Zahl der Asylanträge sei reduziert worden, sagte er. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verzeichnete in den ersten fünf Monaten dieses Jahres knapp 18 Prozent weniger Asylerstanträge als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Im Bereich der Asylpolitik einigte sich die Ministerpräsidentenkonferenz zudem auf eine Bargeldobergrenze in Höhe von 50 Euro bei der in einigen Ländern bereits eingeführten, in allen aber geplanten Bezahlkarte für Flüchtlinge. Sie soll in vielen Ländern laut Rhein im Sommer eingeführt werden und Bargeldzahlungen weitgehend ersetzen. Die Bargeldobergrenze stößt bei drei Landesregierungen aber auf Widerstand. Bremen und Thüringen hielten in einer Protokollerklärung fest, dass ursprünglich ein Korridor von bis zu 120 Euro vereinbart worden sei. Rheinland-Pfalz erklärte, dass es eine starre Festlegung nicht für „zielführend“ halte. Über die Details ihrer jeweiligen Bezahlkarte entscheiden die Länder letztlich selbst.