Vom 4. bis 8. Mai trafen sich christliche Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle (LSBT) aus ganz Europa in Schweden in Göteborg. „Richness in Diversity“ (Reich an Vielfalt) war das Thema der Jahrestagung des Europäischen Forums christlicher LSBT-Gruppen. Kerstin Söderblom, Studienleiterin und Pfarrerin beim Evangelischen Studienwerk in Villigst, war dabei. Mit ihr sprach Nicole Richter vom Frauenreferat der Evangelischen Kirche in Westfalen.
• Sie fahren seit mittlerweile zwanzig Jahren zum Europäischen LSBT-Forum. Vor welche Probleme beziehungsweise Herausforderungen sind LSBT-Menschen in der Kirche gestellt? Worum geht es konkret?
Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle sind in den meisten Kirchen Europas nicht gleichberechtigt. Ausnahmen finden sich nur in den lutherischen Kirchen Skandinaviens, in den reformierten Kirchen der Niederlande und in einigen deutschen evangelischen Landeskirchen.
In der westfälischen Landeskirche dürfen lesbische und schwule Paare in einem öffentlichen Gottesdienst gesegnet werden. Das freut mich sehr. Aber auch hier ist der Gottesdienst einer kirchlichen Trauung nicht gleichgestellt. Das geht in Deutschland nur in der rheinischen Kirche, in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und in der Evangelischen Kirche in Berlin, Brandenburg und schlesische Oberlausitz.
Sonst dürfen sich schwule und lesbische Paare nicht kirchlich trauen lassen, genauso wenig wie sie staatlich heiraten dürfen. In vielen Kirchen sind auch kirchliche Segnungen für lesbische oder schwule Paare nicht erlaubt.
Lesbische und schwule Pfarrer und Pfarrerinnen oder andere kirchliche Mitarbeitende, die offen leben, werden in allen katholischen und orthodoxen Kirchen, aber auch in vielen anglikanischen und evangelischen Kirchen in Europa und weltweit ihrer Ämter enthoben.
Gerade haben wir wieder ein prominentes Beispiel erlebt: Mpho Tutu, die Tochter des ehemaligen Erzbischofs von Kapstadt Desmond Tutu, ist anglikanische Priesterin in Südafrika. Nachdem sie ihre langjährige niederländische Partnerin in den Niederlanden geheiratet hat, musste sie ihr Amt als Priesterin in der Anglikanischen Kirche in Südafrika niederlegen.
Die Herausforderungen von Regenbogenfamilien und Adoption sind ein weiteres Thema, das bisher noch viel zu wenig in kirchlichen Zusammenhängen debattiert wird.
• Sie haben auch mit Teilnehmenden aus anderen EU-Ländern gesprochen, die in ihrer Heimat unter schwierigeren Bedingungen ihren Glauben in ihrer Kirche leben. Welche Eindrücke sind Ihnen noch präsent?
Ich denke an Kaja* (Namen geändert) aus Moldawien. Sie ist von einer Gruppe junger Männer zusammengeschlagen worden, als sie mit ihrer Partnerin Händchen haltend auf der Straße ging. Die herbeigerufene Polizei hat die Männer in Schutz genommen und die beiden Frauen für ihr unmoralisches Verhalten verurteilt. Ihre evangelische Kirchengemeinde hat sie auch nicht geschützt, sondern ihre Partnerschaft für sündig erklärt.
Ich denke an den orthodoxen Priester Roman* aus der Ukraine. Er hat eine kleine christliche Gemeinschaft in Kiew gegründet, die offen ist für Lesben und Schwule. Sie trafen sich bei ihm zuhause und feierten Gottesdienste. Sie sind von einem Nachbarn verraten worden. Eine Gruppe Vermummter kam eines Abends und zertrümmerte seine gesamte Wohnung. Roman wurde von seiner Kirche entlassen.
Ich denke an Niklas*, der mit einer Gruppe von LSBT in Riga während einer Gay Pride Parade von sogenannten Familienfreunden und Hooligans eingekesselt wurde. Sie wurden mit Steinen und Exkrementen beschmissen und konnten nur mit Mühe in eine Kirche fliehen. In der Lutherischen Kirche Rigas durften sie allerdings als LSBT keinen Gottesdienst feiern. Nur der Pfarrer der kleinen anglikanischen Kirche hat ihnen Asyl gewährt.
Ich könnte noch viele ähnliche Geschichten erzählen. Sie machen mich wütend und tun mir weh. Denn nicht selten wird mit einer pseudo-christlichen Rhetorik Hass und Gewalt gegen LSBT gepredigt und legitimiert.
• Verfolgen Sie mit dem Netzwerk auch politische Ziele? Wenn ja, woran arbeiten Sie gerade?
Ja, wir arbeiten mit säkularen LSBT-Gruppen in Zentral- und Osteuropa zusammen. Ziel sind Information und Aufklärung, Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung. Wir führen regelmäßig Trainingsprojekte und Summer Schools in Osteuropa durch. Im Vordergrund stehen Anti-Diskriminierungsarbeit, Mentoringprojekte, geistliche Begleitung und Gemeindeaufbau für christliche LSBT-Gruppen in Zentral- und Osteuropa.
Informationen zu LSBT-Gruppen in der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Evangelischen Kirche in Deutschland und zum Netzwerk unter www.huk.org und www.euroforumlgbtchristians.eu.