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90 Jahre Barmer Theologische Erklärung: “Auch heute hochaktuell”

Mit einem Festgottesdienst ist am Freitag in Wuppertal an die Veröffentlichung der Barmer Theologischen Erklärung vor 90 Jahren erinnert worden. Was 139 Protestanten aus ganz Deutschland damals erkannt und bekannt hätten, sei auch 2024 hochaktuell, sagte die kurhessische Bischöfin Beate Hofmann in ihrer Predigt in der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen, in der das wegweisende christliche Bekenntnis beschlossen wurde. Sie verwies auf das heutige Ringen um eine Kirche in Vielfalt und die Überwindung kolonialer Denkmuster.

Das Bekenntnis von 1934 müsse zudem weiterentwickelt werden, sagte die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck laut Redetext. Dazu müsse man „an einer Kirche arbeiten, die in ihren Strukturen und Räumen vor Gewalt schützt, Verantwortung übernimmt, Liebe glaubwürdig lebt und um die richtigen Wege in die Zukunft ringt“.

Am 31. Mai 1934 hatten 139 evangelische Synodale aus lutherischen, reformierten und unierten Kirchen in der Gemarker Kirche die Barmer Theologische Erklärung beschlossen. Sie legten damit das theologische Fundament für die Bekennende Kirche und wandten sich gegen die NS-treuen „Deutschen Christen“, die der NSDAP nahestanden. Es sei damals vor allem um die Frage gegangen, „ob die rassistische und antisemitische Ideologie der Nationalsozialisten auch in der Kirche gelten soll“, sagte Hofmann. In der Erklärung sei präzise und konzentriert festgehalten worden, „was vom Evangelium her zu sagen war“.

Die „Deutschen Christen“ hatten versucht, die NS-Weltanschauung und das Führerprinzip auch in der Kirche durchzusetzen. Diesem Anspruch widersetzte sich die Barmer Synode: In ihrer Erklärung aus sechs Thesen verwahrte sie sich gegen Irrlehren, bekannte sich zu „evangelischen Wahrheiten“ und stellte das Evangelium von Jesus Christus als „unantastbare Grundlage“ der Kirche ins Zentrum. Die Erklärung bekräftigte auch die Trennung von Kirche und Staat.

Auch heute sei es „plötzlich nicht mehr selbstverständlich und nicht mehr harmlos“, für Demokratie einzustehen, gegen völkische Ideologie einzutreten und sich vom Evangelium leiten zu lassen, sagte Hofmann: „Es kann zu Shitstorms und Morddrohungen, zu tätlichen Angriffen und massiven Ängsten führen.“ Zu den „schmerzhaften Versäumnissen“ der Barmer Erklärung zählt die 60 Jahre alte Theologin, dass das Papier zur Verfolgung der Juden vollständig geschwiegen habe. „Wir müssen bekennen: Barmen hat sich auf die Kirche beschränkt und den bleibenden Bund Gottes mit Israel ignoriert“, erklärte sie.

Eine zweitägige Fachkonferenz in der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (KiHo) mit rund 200 Wissenschaftlern und Kirchenvertretern befasst sich bis Samstag unter dem Motto „Was Erinnern macht – Macht der Erinnerung“ mit dem bedeutenden kirchenhistorischen Bekenntnis. Zum Festprogramm gehört auch die Möglichkeit zum Besuch der vor zehn Jahren eröffneten Dauerausstellung in der Gemarker Kirche.

Die Schau mit dem Titel „Gelebte Reformation – Die Barmer Theologische Erklärung“ greift unter anderem die Themen Reformation, Kirchenkampf und Verantwortung auf. Außerdem ist unter http://u.epd.de/30uy eine virtuelle Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen abrufbar – in diesem Archiv in Bielefeld wird das Original der Erklärung verwahrt.