Über vier Jahre hat ein ZDF-Team für eine Dokumentation immer wieder frühere Unternehmensberater begleitet, die als Ehepaar einen Hof mit Tieren als Zuflucht für Schwerkranke und deren Angehörige betreiben.
Notstände in der Altenpflege und Sterbebegleitung sind ein Dauerbrenner: zu wenig Personal und zu lange Wartezeiten auf einen Pflegeplatz. Beides gibt es auf einem Hof bei Osnabrück nicht. Ein Ehepaar betreibt dort seinen Hof mit Tieren – er ist ein Zufluchtsort für Schwerstkranke und deren Angehörige, für todkranke, trauernde und traumatisierte Menschen. Vorgestellt wird der unkonventionelle Ort der praktischen Nächstenliebe in der ZDF-Dokumentation “37 Grad: Ein Hof zum Leben und Sterben” am 18. Februar um 22.15 Uhr.
Über vier Jahre hat die Wiesbadener Filmemacherin Christina-Maria Pfersdorf das Ehepaar Nicole und Frank Pape immer wieder mit der Kamera besucht. Sie haben ihre Tätigkeit als Unternehmensberater aufgegeben und kümmern sich auf dem 10.000 Quadratmeter großen Hof rund um die Uhr um alte, sterbende und notleidende Menschen. “Wir öffnen unser Haus, weil es uns gut geht, und weil wir wissen, dass es Menschen gibt, denen es nicht so gut geht”, sagt Frank Pape.
Schnell sprach sich bei Betroffenen, Kliniken und Behörden herum, dass es diesen speziellen Ort in Preußisch Oldendorf gibt – auch Opfer von Verbrechen können dort unterkommen. Die Nähe zu den Tieren ist es, die den Hof mit vier Pferden, Hunden und Katzen für viele Besuchende besonders macht. Hinzu kommen die Papes, die schnelle und unbürokratische Hilfe leisten.
Im Frühjahr 2015 starb die Tochter des Paars – Mary war 16 Jahre alt und hatte Lungenkrebs. Um die verbleibende Zeit intensiv miteinander zu verbringen, schrieben Vater und Tochter ein gemeinsames Tagebuch über ihre letzten Monate. Kurz vor ihrem Tod äußerte Mary den Wunsch, dass es veröffentlicht wird. Sie wollte, dass alle Menschen wissen, wie es ist, jung und todkrank zu sein. In dem Buch “Gott, du kannst ein Arsch sein”, das vor fünf Jahren mit Til Schweiger fürs Kino verfilmt wurde, beschreibt Pape auch, wie Mary starb – auf Heu gebettet im Stall bei ihrem Pferd Luna.
Kurz nach Erscheinen des Buches klingelte eine Leserin – schwer von Krebs gezeichnet – an der Tür und äußerte den Wunsch, ebenfalls bei den Pferden zu sterben. “Jeder hätte sie reingelassen. Wir hatten nur das Glück, dass sie bei uns geklingelt hat”, sagt Pape.
Für Pfersdorf war ihr Film ein ungewöhnliches Projekt, bei dem man anfangs nicht wissen konnte, wie der Film am Ende aussehen wird. “Die Begegnungen und Geschichten waren nicht absehbar”, erklärt sie. So ist ein Gast während der Drehzeit verstorben – wie ein Handyfilm zeigt, kam die Stute Jolina bis ans Bett in seinem Zimmer. Auch für ihn pflanzte Pape einen Bonsai im Erinnerungs-Garten bei der Kapelle. Zehn Menschen hat das Paar in den vergangenen Jahren auf dem Hof beim Sterben begleitet.
Beeindruckend offen reflektiert Annemarie, deren Mutter Claudia schwer an Krebs erkrankt ist, ihre Situation vor der Kamera. Die Teenagerin kommt seit vielen Jahren zum Hof und war noch ein Kind, als die Mutter die Diagnose bekam. Seitdem sind die Pferde und Frank Pape für Annemarie die wichtigste Anlaufstelle. “Wenn man Menschen über einen so langen Zeitraum begleitet, lernt man sie gut kennen und ihre Geschichten berühren. Die größte Herausforderung ist: trotz allem die journalistische Distanz zu wahren”, erklärt ZDF-Redakteurin Pfersdorf der Katholischen-Nachrichten-Agentur (KNA).
Fast nebenbei gründeten die Papes einen Verein, suchten sich Unterstützer und Sponsoren für ihre Arbeit. Gleichzeitig eröffneten beide einen kleinen Betrieb – eine Kaffeerösterei und Schokoladenmanufaktur. Der Großteil des Gewinnes geht in die Vereinsarbeit.