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ZDF-Dokumentation zum Umgang mit Gehaltsfragen – Für weniger Tabus

Es gibt Dinge, über die man hierzulande kaum jemals offen spricht: etwa den eigenen Verdienst. Eine ZDF-Dokumentation möchte für mehr Transparenz sorgen – und zeigt, was sich von Norwegen lernen lässt.

Die Arbeit macht einen wichtigen Teil des Lebens aus und soll erfüllend sein. Bei der Entlohnung gibt es indes gravierende Unterschiede – und große Sprachlosigkeit. Wieviel ein Mensch verdient, wissen oft nicht einmal enge Freunde. Die ZDF-Dokumentation “Die Wahrheit über Arbeit und Geld – Was verdient Deutschland?” möchte am 17. Juni um 20.15 Uhr für mehr Transparenz sorgen. Die Momentaufnahme blickt auf Lohn- und Gehaltszettel – und zeigt eine beträchtliche Kluft zwischen verschiedenen Verdienstklassen.

Die ZDF-Journalistin und Rechtsexpertin Sarah Tacke trifft für den Film Menschen in Deutschland und Norwegen. Wie sensibel das Thema ist, zeigte sich schon im Vorfeld: 87 Vorstände, CEOs oder Geschäftsführer von wichtigen Unternehmen in Deutschland sagten der Filmemacherin ab. Nach monatelanger Suche konnten zwei Führungskräfte gewonnen werden. Für das ZDF-Team eine zusätzliche Motivation, sich dem Thema zu widmen und Menschen zu zeigen, die bestimmte Bevölkerungs- und Einkommensgruppen repräsentieren.

Für die Doku hat Tacke unter anderem eine Firma in Berlin besucht, bei der die Höhe der Gehälter von der Belegschaft in einem “Gehalts-Rat” ausgehandelt werden. Typisch für die Mittelschicht ist Familie Graap in Hamburg: Sandra Graap arbeitet als Erzieherin in einer Kita, ihr Mann Tobias ist Palliativ-Pfleger. Zusammen hat die Familie mit zwei Kindern und einem kleinen Haus mehr als 11.000 Euro brutto jeden Monat. Trotzdem merken die Graaps, wie der finanzielle Druck zunimmt – durch steigende Preise beim Einkauf, bei Versicherungen oder fürs Heizen.

In einer anderen Gehaltswelt lebt die Telekom-Managerin Simone Carstens, die in Bonn Familie und Karriere jongliert – sie verdient als Geschäftsführerin sehr gut. Sie ist überzeugt, dass es “einer gewissen Leistung bedarf, um weiterzukommen. Lernen, Disziplin. Also man bekommt nichts geschenkt.”

Filmemacherin Tacke wagt beim Thema Verdienst zudem einen Blick über Landesgrenzen – nach Norwegen, das in punkto Transparenz als vorbildlich gilt. In dem skandinavischen Land können alle der rund 5,5 Millionen Norwegerinnen und Norweger – ganz legal – online das versteuerte Einkommen sämtlicher Landsleute einsehen.

So ist es kein Geheimnis, dass Stale Kyllingstad (64) als CEO eines großen Öl- und Gaskonzern in Stavanger im Südwesten Norwegens ein Multimillionär ist. “Für mich ist das kein Problem, das macht mir nichts aus. Wenn Leute hinter meinem Rücken tuscheln, kann ich damit umgehen. Und ehrlich gesagt, es ist mir auch ziemlich egal”, sagt Kyllingstad im Film. Diese Transparenz gibt es in Norwegen schon seit 1863. Eine ausgewanderte Deutsche findet, “dass die Leute durch die Gehaltstransparenz insgesamt zufriedener sind”.

Für Juristin Tacke ist die Rechtsberichterstattung oft verbunden mit Gerechtigkeitsfragen – auch beim Thema Geldverdienen. Die Recherche zu diesem Film sei “eine der aufwendigsten und schwierigsten” gewesen, die sie je erlebt habe, erklärt Tacke im Austausch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Denn “Gehalt, Geldverdienen ist gerade bei denen, die gut verdienen, noch immer ein großes Tabu – zumindest in Deutschland”. Die Journalistin hat sich zuvor bereits mit Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen beschäftigt hat.

Die ZDF-Dokumentation liefert eine interessante und kritische Bestandsaufnahme. Und sie macht Mut, denn lange waren die Bedingungen für die Arbeitnehmerseite nicht mehr so gut wie jetzt. Durch den Fachkräftemangel müssen sich Firmen bemühen, attraktiv zu sein – etwa durch faire Bezahlung.