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Wo Gott Vater und Mutter ist

Die Übersetzung sorgte auf der Frankfurter Buchmesse vor 15 Jahren für Aufregung: die “Bibel in gerechter Sprache”. Das Werk aus dem Umkreis der feministischen Theologie hat sich etabliert, ist aber umstritten. Nun soll es neu übersetzt werden.

Die "Bibel in gerechter Sprache" wird neu aufgelegt
Die "Bibel in gerechter Sprache" wird neu aufgelegtHanno Gutmann / epd

Frankfurt a.M. Es war eine besondere Vorstellung auf der Frankfurter Buchmesse 2006: Aus privater Initiative hatten 52 Theologinnen und Theologen die Bibel in fünf Jahren neu übersetzt mit dem Anspruch, dies in „gerechter Sprache“ zu tun. Ihre Absicht war, nicht nur dem Urtext gerecht zu werden, sondern auch den Geschlechtern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, dem christlich-jüdischen Dialog und den sozialen Verhältnissen. Theologinnen und Theologen aus dem Umkreis der feministischen Theologie zollten Beifall, andere kritisierten, die Einbeziehung politischer Kriterien verändere den Text unzulässig.

Von der „Bibel in gerechter Sprache“ sind in den vergangenen 15 Jahren Auflagen in Höhe von insgesamt 100.000 Exemplaren gedruckt worden, wie Claudia Janssen sagt, Mitglied im Herausgabekreis und Verein. Jedes Quartal würden einige Hundert verkauft. Von der Lutherbibel verbreitet die Deutsche Bibelgesellschaft jedes Jahr mehr als 100.000 Exemplare. Jede Generation müsse sich die Bibel neu aneignen und das Verständnis des Textes in eigene Sprache fassen, erläutert Janssen, Professorin für Neues Testament und Theologische Geschlechterforschung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel. Dazu will der Verein „Bibel in gerechter Sprache“ seinen Teil beitragen.

Arbeit beginnt neu

Der Verein hat nach den Worten von Janssen kurz vor der Frankfurter Buchmesse beschlossen, die Arbeit an einer neuen Übersetzung zu beginnen. In den Debatten um Geschlechtergerechtigkeit und Postkolonialismus seien wichtige Fragen neu erhoben worden, begründet die Theologin. Zunächst würden Mitglieder des Herausgabekreises und des Vereins erneut mit der Übersetzungsarbeit beginnen. Die ersten Texte und Termine stünden noch nicht fest. Das Ziel sei eine Neuausgabe der „Bibel in gerechter Sprache“.

Hanno Gutmann / epd

Die aktuelle Übersetzung werde in vielen Gemeinden für die Schriftlesung im Gottesdienst, in Bibelstunden oder im Unterricht verwendet, berichtet die Marburger Neutestamentlerin Angela Standhartinger, Mitglied des Übersetzungsteams. Die neue Bibel zeige Wirkung: In der Kirche werde die Gottesanrede „Herr“ inzwischen häufig ersetzt, und in der Version der Lutherbibel von 2017 würden in den Grüßen des Paulus neben den „Brüdern“ im Urtext jetzt auch die Schwestern hinzugefügt. Die Übersetzung aus vielen Händen habe die Bibel allerdings vielstimmig gemacht, innerbiblische Vergleiche seien nicht einfach. Dagegen machten die Texte auf die Vielfalt möglicher Interpretationen aufmerksam.

Eines der Markenzeichen der neuartigen Übersetzung ist, dass sie von Gott nicht als „Herrn“ spricht wie im griechischen Urtext. Die „Bibel in gerechter Sprache“ präsentiert stattdessen eine Vielzahl von Anreden in beiderlei Geschlecht, wie „Adonaj“, „die Lebendige“, „der Ewige“, „die Heilige“. Die Anrede des Vaterunsers lautet inklusiv: „Du, Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel“ (Matthäus 6,9).

“Schlicht irreführend”

Zu den Kritikern der Übersetzung zählt der Theologe und damalige Direktor des Züricher Instituts für Hermeneutik und Religionsphilosophie, Ingolf U. Dalferth. „Kein Text der Bibel wurde in der Absicht verfasst, geschlechtergerecht, antidiskriminatorisch und frei von Antijudaismus zu sein“, schrieb er im November 2006. Eine sachgerechte Übersetzung dürfe das nicht verwischen. Sie müsse das Sperrige gerade deutlich machen, um eine kritische Auseinandersetzung zu ermöglichen. Selbstverständlich könne man die Bibel unter Gerechtigkeits-Gesichtspunkten kritisch lesen und auslegen. Aber sie so zu übersetzen, „ist schlicht irreführend“. Dalferth bekräftigte nun auf epd-Anfrage: „Meine Überzeugung hat sich nicht geändert, sondern verstärkt. Es ist hermeneutisch abwegig, so zu übersetzen.“

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) distanzierte sich von der „Bibel in gerechter Sprache“: Die Gerechtigkeit in drei Perspektiven bekomme als Übersetzungskriterium „den Charakter von vorgefassten Meinungen, die in den Text hineingetragen werden“, erklärte der Rat im März 2007. Gerechtigkeit bei einer Übersetzung bedeute, dass sie „dem zu übersetzenden Text gerecht werden muss“. Sonst verliere die Bibel ihre Funktion als kritisches Gegenüber und Korrektiv des kirchlichen Handelns und theologischen Redens.

Bedenken eingeräumt

Die Bedenken seien weiter zutreffend und aktuell, sagte der Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes, Thies Gundlach, dem epd. Dies schließe aber nicht aus, die Übersetzung außerhalb des Gottesdienstes zu benutzen. Wenn sie dazu beitrage, sich von Gott kein Bildnis zu machen, sei dies eine positive Wirkung. (epd)

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