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“Wir müssen Künstliche Intelligenz in Waffensystemen nutzen”

Im Ukraine- und im Gaza-Krieg kommen derzeit Waffensysteme zum Einsatz, die ihre Ziele eigenständig suchen. Der Politologe Frank Sauer, Forschungsleiter des Metis Instituts für Strategie und Vorausschau der Münchner Bundeswehr-Universität, erklärt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), warum aus seiner Sicht diese autonomen Waffensysteme unumgänglich sind und wie man sie verantwortungsvoll nutzen könnte.

epd: Herr Sauer, die Rolle von Drohnen im Ukrainekrieg ist kaum zu überschätzen. Neben ferngesteuerten Drohnen sind dort auch Systeme im Einsatz, die vollkommen autonom funktionieren. Sieht so der Krieg der Zukunft aus?

Frank Sauer: Loitering munitions, bisweilen auch Kamikaze-Drohnen genannt, haben inzwischen einen festen Platz auf dem Gefechtsfeld. Eine internationale Einhegung solcher Systeme ist nicht gelungen. Soldaten ohne sie jetzt noch in den Krieg zu schicken, wäre unverantwortlich. Deswegen ist mein Punkt, dass wir Künstliche Intelligenz in Waffensystemen nutzen müssen, auch loitering munitions – aber eben in verantwortungsvoller Weise.

epd: Wie wäre das möglich?

Sauer: Es braucht die Triade von Vorhersehbarkeit, Administrierbarkeit und Zurechenbarkeit. Ein Operator, der Funktionen an eine Maschine überträgt, muss das in möglichst genauer Kenntnis der Lage tun. Er muss also zum Beispiel wissen, ob ein gegnerisches Ziel, das er bekämpfen will, auf dem Dach einer Kaserne oder eines Krankenhauses steht. Er muss vorhersehen können, was passiert, wenn er das Waffensystem aktiviert. Und er muss die Waffe bei Bedarf jederzeit wieder kontrollieren können. Sollte dann doch etwas mit dem Kriegsvölkerrecht Unvereinbares passieren, dann muss er auch die Verantwortung dafür übernehmen.

epd: Aber wieso muss man denn überhaupt die Kontrolle an die Maschine abgeben? Könnte man Drohnen nicht weiterhin fernsteuern? Oder könnte man sich nicht einfach darauf beschränken, gegnerische „loitering munitions“ abzuwehren, indem man die eigene Flugabwehr stärkt?

Sauer: Das ist beides leider nicht praktikabel. In der Ukraine beispielsweise setzen beide Seiten elektronische Kampfführung ein. Störsignale unterbrechen dabei die Fernverbindung zwischen System und Mensch. Autonome Systeme machen diese Fernsteuerung überflüssig. Was die Drohnenabwehr angeht: Die brauchen wir unbedingt auch. Aber allein mit Abwehr lässt sich kein Krieg führen. Nur mit Offensivoperationen ist die Befreiung von Territorium möglich. Auch das führt das Beispiel Ukraine uns schmerzhaft vor Augen.