Heiß und trocken weht der Wind über die weitläufige Landschaft des Hluhluwe-iMfolozi-Parks. Lediglich eine Wildschwein-Familie taucht kurz aus dem Gebüsch auf und verschwindet dann wieder in der südafrikanischen Savanne. In der prallen Mittagshitze haben sich die Wildtiere in den Schatten zurückgezogen – so auch die Nashörner, für die das Reservat bekannt ist.
Der Park am südwestlichsten Zipfel des Landes ist eines der ältesten Schutzgebiete Afrikas. Dennoch ist Wilderei hier ein großes Problem. Von 499 im vergangenen Jahr in ganz Südafrika illegal getöteten Nashörnern wurden 307 im Hluhluwe-iMfolozi-Park erlegt – ein Weckruf für die Zuständigen.
„Die Entwicklungen im vergangenen Jahr haben uns zu einer Entscheidung veranlasst, vor der wir uns lange gesträubt haben“, sagt Musa Mntambo, Sprecher der Naturschutzbehörde Ezemvelo KZN Wildlife, die den Park betreibt. „Im April haben wir angefangen, die Nashörner zu enthornen. Dabei wird das Horn, für das die Tiere getötet werden, kurz über den Ansatz abgeschnitten.“ Ziel der Behörde sei es zwar, die Natur in ihrem ursprünglichen Zustand zu erhalten und so wenig wie möglich einzugreifen. Doch mit durchschnittlich 26 gewilderten Nashörnern pro Monat im vergangenen Jahr, sei ihnen keine Wahl geblieben.
Dem Horn werden vor allem im asiatischen Raum Heilkräfte nachgesagt. Auf dem internationalen Schwarzmarkt wird es zu ähnlich hohen Geldsummen gehandelt wie Kokain oder Gold, teils gar höher. Zwischen 18 und 24 Monate brauche es, bis es wieder nachgewachsen sei, doch in der Zeit seien die Tiere für Wilderer nicht attraktiv.
Wenn auch aus der Not heraus, scheint die Maßnahme zu funktionieren: Wie die Organisation World Wide Fund for Nature (WWF) jüngst bekannt gab, ist die Wilderei im Hluhluwe-iMfolozi -Park in den vergangenen sechs Monaten um schätzungsweise 80 Prozent zurückgegangen. Damit sei auch die Zahl der verwaisten Nashorn-Jungtiere nicht weiter gestiegen. „Aktuell kümmern wir uns um acht verwaiste Babys“, erzählt Dumisami Zwane, Leiter der Wildhüter-Abteilung im Hluhluwe-iMfolozi-Park.
Zwane arbeitet seit 19 Jahren im Reservat und überwacht mit seinem Team die Wildtierbestände. Der Anblick eines gewilderten Tieres sei jedes Mal furchtbar. „Manchmal machen sich die Wilderer nicht mal die Mühe, die Tiere richtig zu töten, bevor sie das Horn herausschneiden.“
Zum Schutz der Tiere verfolgen die Wildhüter im Hluhluwe-iMfolozi-Park noch einen weiteren Ansatz. „Wir versuchen auch durch Öffentlichkeitsarbeit das Bewusstsein zu fördern, dass lebende Nashörner den angrenzenden Gemeinden sehr viel mehr einbringen als gewilderte“, erläutert Zwane. Denn insbesondere das Nashorn ist eines der ikonischen Tiere des Parks und lockt jedes Jahr unzählige Touristen aus aller Welt an.
Der Park gilt als Vorreiter bei der Rehabilitation der Tiere und für seinen bedeutenden Beitrag zur Erhaltung der bedrohten Art. In den 1950er Jahren startete hier das „Operation Rhino“-Projekt, um die vom Aussterben bedrohten Breitmaulnashörner zu retten. Und auch Spitzmaulnashörner sind in dem Wildpark zu finden. „Nach und nach haben wir es geschafft, die Populationen zu stabilisieren und sogar andere Parks, in denen die Tiere ausgerottet waren, mit Nashörnern von hier wieder zu besiedeln“, erzählt Zwane.
Weil das Abschneiden der Hörner die Überlebens-, Revier- und Paarungsfähigkeit der Tiere beeinträchtigen könne, erforscht ein Team der Universität Witwatersrand momentan einen neuen Ansatz, der den Nashorn-Schutz möglicherweise weltweit revolutionieren könnte. Dabei führen die Forscher kleine Mengen radioaktives Material in das Horn ein, die weder für Mensch noch Tier gefährlich sind, erläutert der Leiter des „Rhisotope Project“, James Larkin. Damit werde das Horn unattraktiv für Wilderer gemacht. Sollte das Pilotprojekt erfolgreich sein, könnten Nashörner künftig auch mit Horn in den Parks gehalten werden.
Dass die Wilderei im vergangenen Jahr so sprunghaft gestiegen ist, bedroht jahrelange, harte Arbeit. Warum ausgerechnet 2023 ein so schlechtes Jahr war, vermögen Dumisame Zwane und Musa Mntambo nicht zu sagen. Eine Theorie sei, dass in anderen Parks, wie dem sonst von Wilderei enorm betroffenen Kruger-Park, massiv in Schutzmaßnahmen investiert wurde. Möglicherweise seien die Wilderer „abgewandert“. „Es ist ein ständiger Kampf gegen die Zeit und gegen die kriminellen Netzwerke, die hinter der Wilderei stehen“, sagt Zwane. Doch die ersten Erfolge des Enthornungs-Programms, der Forschungsansatz mit der Radioaktivität und die gesunkenen Wilderei-Zahlen lassen zumindest hoffen.