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Wie Jugendschützer das Netz für Kinder sicherer machen wollen

Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz kommen auf die Aufsichtsbehörden in Deutschland neue Aufgaben zu. Jugendschützer fühlen sich dafür gut gerüstet und verbinden mit den neuen Regeln große Hoffnungen.

Ende April gab der Bundesrat dem Digitale-Dienste-Gesetz seinen Segen. Es soll die Regulierung von digitalen Plattformen in Deutschland auf ganz neue Füße stellen. Die Augen der Öffentlichkeit richten sich vor allem auf die großen Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok. Alle Plattformen, die monatlich auf mehr als 45 Millionen Nutzer in der EU kommen, werden schon seit Herbst von der EU-Kommission genau beleuchtet und strenger reguliert.

Doch auch kleine Anbieter mit weniger als einer Million Nutzer pro Monat und solche, die ihr Online-Angebot nicht gewerblich betreiben, werden vom Digitale-Dienste-Gesetz in Zukunft erfasst. Für thematische Schwerpunkte sind unterschiedliche Stellen zuständig – zum Beispiel Sebastian Gutknecht, Direktor der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BZKJ).

Schon seit Jahren kontrolliert die Bundeszentrale, ob im Netz ausreichende Vorsorgemaßnahmen für Kinder und Jugendliche eingerichtet sind. Mit dem Digital Services Act (DSA) übernimmt die EU-Kommission die Überwachung der großen Plattformen. Kleinere Anbieter mit Sitz in Deutschland werden im Hinblick auf strukturelle Vorsorgemaßnahmen von der BZKJ überwacht. Das seien beispielsweise Foren, Spiel- und Serviceangebote oder Videoplattformen, erklärt Gutknecht.

Gefordert ist ein hohes Maß an Schutz, Sicherheit und Privatsphäre für Kinder und Jugendliche bei der Nutzung. Dabei lässt das Gesetz Spielräume, welche Maßnahmen die Anbieter hierzu zu ergreifen haben. Dies werde nicht im Detail vorgegeben, berichtet Gutknecht. Woher weiß die BZKJ also, was sie zu tun hat?

“Wie bei unserer bisherigen Arbeit werden wir uns auch in Zukunft die Plattformen anschauen, die für junge Menschen relevant sind und anhand unserer Prüfkriterien bewerten, wo es Risiken gibt”, erklärt Gutknecht. Dabei gehe es nicht direkt um die Inhalte, die auf den Plattformen verbreitet werden, sondern um die Risiken, die die Ausgestaltung der Plattformen mit sich bringt. So schaut sich die BZKJ beispielsweise an, wie Inhalte auf Plattformen gemeldet werden können und ob diese Meldewege auch für Kinder verständlich sind. Sie prüft Zugangsbeschränkungen für bestimmte Altersgruppen oder Hinweise auf Hilfsangebote.

“Die Anbieter müssen darlegen, wie ihre Plattform aufgebaut ist und funktioniert und wie sie Risiken begegnen. Wir überprüfen dann, ob die Maßnahmen angemessen sind”, erklärt Gutknecht. Ist das nicht der Fall, könne man die Anbieter zu Änderungen auffordern. Wenn diese nicht umgesetzt werden, könne man schlussendlich Bußgelder verhängen, fügt der Jurist hinzu.

Im besten Fall komme es aber gar nicht so weit. Gutknecht lobt die Zusammenarbeit gerade mit kleinen Plattformanbietern, die oftmals sogar dankbar für Hinweise seien, wie sie ihr Angebot sicherer für Kinder und Jugendliche machen können: “Ich hoffe, dass sich mit dem Digitale-Dienste-Gesetz der dialogische Ansatz weiter durchsetzt. Wir brauchen effektive Zusammenarbeit, um jungen Menschen die Teilhabe an einer positiven, digitalen Zukunft zu ermöglichen.”

Denn Jugendmedienschutz ist für Gutknecht mehr, als Kinder vor Inhalten und Plattformmechanismus zu beschützen, die ihnen schaden könnten: “Seit der Killerspieldebatte sind wir schon ein gutes Stück weitergekommen. Damals hatte man in der öffentlichen Debatte teilweise noch das Gefühl, friedfertige Jugendliche seien allein durch die Nutzung bestimmter Medien zu Straftätern geworden.” Dass ein solch einfacher Wirkungszusammenhang so nicht bestehe und die Mediennutzung eher auf bestehende Probleme aufsetze oder sie verstärken könne, hätten heutzutage die meisten begriffen. Dennoch habe man auch heute nicht immer adäquate Antworten auf Risikolagen in der digitalen Welt.

So hat die US-Regierung vor einigen Wochen entschieden, die chinesische App TikTok zu verbieten, falls deren Mutterkonzern Bytedance sich weigert, die Plattform an einen US-amerikanischen Anbieter zu verkaufen. Ein Ansatz, von dem Gutknecht nicht viel hält: “Die Nutzung von TikTok – hauptsächlich durch Konsum von Inhalten, aber natürlich auch durch Einstellen eigener Beiträge – ist in der derzeitigen Jugendkultur fest verankert. Das muss man nicht gut finden, aber es ist die Realität, die man anerkennen muss.”

Das bedeute aber nicht, dass die Plattform keine Probleme mit sich bringe. Eine der größten Gefährdungen für Kinder und Jugendliche sieht Gutknecht aktuell beim Thema Extremismus: “Bestimmte Angebotsformen auf Plattformen fördern Extremismus. Die Öffentlichkeit blickt gerade sehr stark auf die Performance rechtsextremistischer Narrative. Solche Inhalte verstoßen nicht immer gegen geltendes Recht, sondern sind auch hinsichtlich der Nutzungsbedingungen auf den Plattformen zu bewerten. Sie müssen daher mit wirksamen Melde- und Abhilfesystemen schnell entfernt werden.” Allerdings sei es hier manchmal nicht einfach, zwischen dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Risiken und dem Recht auf Teilhabe am politischen Diskurs abzuwägen, so Gutknecht: “Die Meinungsfreiheit ist ein starkes Gut.”

Der Jurist ergänzt, dass zu den jugendgefährdenden Medien auch solche gehören, die das Potenzial zur “Gefährdung der Demokratiefähigkeit” haben: “Die Jugendstudie 2024 hat uns vor wenigen Wochen gezeigt, wie sehr junge Menschen Angst vor der Zukunft haben und sich selber als recht wirkungslos im gesellschaftlichen Miteinander erleben. Wenn man sich die Welt um uns herum so anschaut, kann ich das auch gut verstehen.”

Hier mischen sich digitale und analoge Probleme. Gutknecht fordert, dass Regulierung gerade bei solchen Fällen ansetzt: “Ich wünsche mir eine digitale Daseinsvorsorge. Dafür müssen wir aber wieder vermehrt die Expertise von Menschen einholen, die Orientierung geben können, welche Maßnahmen wirksam sind und welche nicht, um jungen Menschen zu Eigenverantwortung und Selbstbefähigung im Umgang mit digitalen Medien zu verhelfen.”