Wieder einmal lockt das Bayern-Museum augenzwinkernd nach Regensburg: „Sau sticht König“ heißt eine neue Kabinettausstellung, die ab diesen Samstag (31. Mai) im Haus der Bayerischen Geschichte zu sehen ist. Zwei bayerische Spielkarten untermalen bestens den Tenor: Vom Blatt des Herz-Königs schaut der Märchenkönig Ludwig II. herab, attackiert wird er von der Schellen-Sau mit bayerischer Lanze. Wer hier beim „Karteln“ der Stärkere ist, wissen Schafkopfkenner genau: Die Sau ist der King, der König ein Verlierer. Neben der 600-jährigen Geschichte der bayerischen Spielkarten zeigt die Ausstellung, dass nicht nur in Wirtshäusern „gekartelt“ wurde, wie Mozarts Zauberflöte auf Regensburger Spielkarten kam und dass es in Bayern auch andere Kartenspiele als Schafkopf gab.
Vor 500 Jahren beispielsweise war das Kartenspiel „Karnöffel“ sehr beliebt, bei dem immer der höhere Stich gewann. Die höchste Karte im Spiel war der Kardinal, erläutert Kurator Timo Nüßlein. Doch es gab auch Spielkarten mit weltlichen Hierarchie-Figuren wie König, Ober oder Unter. Später wurde dann viel „Haferl-Tarock“ gespielt. Im 19. Jahrhundert wurden die Spiele komplexer. Damals kam auch der Schafkopf ins Spiel, wo es nicht nur um Glück, sondern auch um Taktik ging. Es zeigte sich, „dass man erfolgreich sein kann, auch wenn man schlechte Karten hat“, sagt Nüßlein.
Der Kurator und sein Team fanden heraus, dass in Bayern schon immer gern gekartelt wurde. Die Spielkarten und Kartenspiele gelangten im Mittelalter zwar aus China entlang der Handelswege nach Europa, aber die frühesten Zeugnisse für Spielkarten nördlich der Alpen finden sich in Bayern. Etwa im oberbayerischen Schongau: Im Jahr 2000 werden dort bei Sanierungsarbeiten im gotischen Hafen in einem Zwischenboden elf Spielkarten entdeckt, die aus dem 15. Jahrhundert stammen und seitdem als die ältesten Volksspielkarten Deutschlands gelten. Der älteste Herz-Unter mit deutschem Farbzeichen von 1470/90 ist in der Schau zu sehen – laut Kurator „ein direkter Vorfahr der heutigen bayerischen Spielkarten“.
Die Schau erklärt zudem, warum die Karten im 16. Jahrhundert plötzlich mit Sau-Darstellungen versehen sind. In Südbayern wurde es üblich, niedrigere Farbwertzeichen mit Schweinedarstellungen zu illustrieren. „In der Ulmer Gegend, wo dann auch eine Generation später die Bauernkriege beginnen, schlägt auf einmal die niedrigste Karte, die Saukarte, die höchste Karte“, erläutert Nüßlein.
Um 1650 werden in Augsburg Spielkarten gedruckt, deren Gestaltung als „altbayerisches Bild“ bezeichnet wird. Im Gepäck von Reisenden breiten sich die bayerischen Karten in den folgenden 100 Jahren über Mitteleuropa aus und sind so beliebt, dass Kartenmacher in Österreich, Tschechien und Russland sie imitieren. Auch in Altbayern, Franken und Schwaben verbreiten Kartenmacher sie weiter und ergänzen sie mit regionalen Bildern wie aus München und Würzburg, die dann bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch sind. Das älteste Regionalbild, ein vollständig erhaltenes Kartendeck, ist in einer der Vitrinen ausgestellt.
Eine Inszenierung in der Schau, bei der höfische Karten aus dem Himmel über Regensburg herabstürzen, spielt auf das Spieleverbot im Jahr 1378 in Regensburg an. Laut Nüßlein steht die Handelsstadt Regensburg damit für den frühesten Nachweis eines Kartenspiels in Deutschland. Verboten wurde es, weil das Kartenspiel im kirchlichen Regensburg als Glücksspiel und damit als des „Teufels Gebetbuch“ galt.
Ein weiterer Fund deutet darauf hin, dass Regensburg aufs Engste mit der Geschichte der Spielkarten verbunden ist. Ein Teppich mit höfischen Minnedarstellungen aus dem Jahr 1410/1420, der vermutlich in Regensburg gewirkt wurde, zeigt, wie adelige Personen mit runden Karten spielten. „Das ist ein ganz toller Fund, auch wenn von diesen runden Spielkarten leider nichts mehr erhalten ist“, sagt Nüßlein.
Was die Ausstellungsmacher noch herausgefunden haben, dürfte als Rarität gelten. So hat Nüssleins Team drei Figuren aus Mozarts Zauberflöte auf einem Regensburger Kartenspiel aus dem 18. Jahrhundert entdeckt. Ein berühmter Sohn der Stadt und gefragter Theatermann, Emanuel Schikaneder, hatte Engagements an der Wiener Oper, wo er das Textbuch für Mozarts Zauberflöte verfasste und die Oper 1791 inszenierte. Zwei Jahre später wurde die Zauberflöte zum ersten Mal in Regensburg aufgeführt. Unmittelbar danach wurden in Regensburg Spielkarten gedruckt, die Papageno, Sarastro und Tamino auf den Karten zeigen und so Schikaneder und seinen Schauspielern aus Regensburg ein Denkmal setzten, erläutert der Ausstellungsmacher.
Seit dem 18. Jahrhundert erobern Spielkarten dann zunehmend Kasernen, Salons und Stuben. Oftmals werden die Spielkarten zweckentfremdet: Gaukler und Zauberer führen mit ihnen Kunststücke und Tricks vor, Kartenlegerinnen sagen Liebes- oder Schlachtenglück voraus und der Brandner Kaspar erspielt sich in der Literatur sogar das „ewige Leben“.