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Wie die Baath-Partei zur Mumie wurde

Die Ideologie der Baath-Partei hat den Nahen Osten über ein halbes Jahrhundert in Atem gehalten. Ihre Zukunft in Syrien scheint ungewiss. Sicher ist aber: Die weltpolitische Rolle des Baathismus ist vorbei.

Mit dem Sturz von Baschar al-Assad ist in Syrien auch das Machtmonopol seiner Baath-Partei gefallen. Zusammen mit Militär und Geheimdiensten, mit denen sie eng verflochten war, sicherte die Baath dem Assad-Regime 54 Jahre lang die Herrschaft und gab sich dabei, wie üblich in Einparteiensystemen, als Sprachrohr des Volkswillens und Garantin des Fortschritts aus. Ihr ruhmloses Ende als Staatspartei ist zugleich das letzte Begräbnis einer politischen Ideologie, die einst große Teile der arabischen Welt erfasste und dann zur fluchbeladenen Mumie wurde.

Offiziell gegründet wurde die “Partei der arabisch-sozialistischen Wiedergeburt”, kurz Baath, 1947 in Damaskus von dem griechisch-orthodoxen Christen Michel Aflaq und dem sunnitischen Muslim Salah ad-Din al-Bitar. Unter dem Motto “Einheit, Freiheit, Sozialismus” forderten die Baathisten einen panarabischen Staat von Marokko bis zum Golf, die Befreiung von imperialistischer Kontrolle aus Europa und Reformen gegen die soziale Ungerechtigkeit in den halbfeudalen Gesellschaften des Nahen Ostens. Hinzu kamen die Feindschaft gegen Israel und ein strikter Säkularismus. Der Islam galt zwar als wichtiger Teil arabischer Identität, sollte aber keinen Einfluss auf die Politik haben.

Wie viele außereuropäische Bewegungen ihrer Zeit kämpfte die Baath also auf Basis westlich-politischer Ideen für Unabhängigkeit vom Westen und einen eigenen Weg der Araber in die Moderne. Eine islamische Renaissance, wie sie die fundamentalistische Muslimbruderschaft bis heute verfolgt, lehnte sie als rückwärtsgewandt ab. Ableger der Baath entstanden in etlichen arabischen Staaten. Dauerhafte politische Macht errang sie aber nur 1963 in Syrien und 1968 im Irak jeweils durch Putsch, wobei sich beide Zweige wegen ideologischer Differenzen künftig erbittert bekämpften.

Beide Länder wurden im Gewand des Baathismus zu brutalen Diktaturen – der Irak unter Saddam Hussein, Syrien ab 1970 unter dem alawitischen Luftwaffenchef Hafiz al-Assad – und die jeweiligen Parteien im Zeichen eines gigantischen Führerkults zum totalitären Machtinstrument. Die Mitgliederzahl der Baath soll in der Zeit des ersten Assad auf über eine Million angewachsen sein. Wie in den Regimes des Ostblocks konnte ein Parteibuch über Studienplatz oder Ladenlizenz entscheiden. Und es erleichterte den Umgang mit den allgegenwärtigen Geheimdiensten. Die Baath-Partei durchzog alle gesellschaftlichen Schichten, Gewerkschaften, Unternehmerverbände, die Journalistenvereinigung und Anwaltsgilde.

Der Panarabismus, ohnehin immer eine Illusion, wurde derweil zur leeren Parole, stattdessen baute Hafiz al-Assad das Land zur Regionalmacht auf. Was blieb, war der antizionistische Hass gegen Israel, den auch viele Nicht-Baathisten teilten. Der “arabische Sozialismus” der Baath hatte zunächst einen gewissen Erfolg: Landreform, freie Bildung und Gesundheitsversorgung, Investitionen in Industrialisierung und Infrastruktur sicherten dem Regime durchaus eine Massenbasis aus Bauern, Kleinbürgern und wachsender Mittelschicht. Auch deshalb konnte Assad die brutal unterdrückte islamistische Opposition lange niederhalten.

Zumal die Partei mit ihrer nationalistisch-säkularen Ideologie eine eiserne Klammer zwischen den vielen religiösen Konfessionen Syriens bildete. Zwar setzten die Assads Mitglieder der Alawiten-Sekte auf Schlüsselpositionen in Armee und Geheimdienst, aber die Baath war keine “Alawiten-Partei”, sondern repräsentierte nach einem Proporz die sunnitische Mehrheit, Christen und Drusen.

Doch der syrische Baathismus erstarrte auch unter Hafiz’ Sohn Baschar al-Assad nach 2000 immer weiter in Korruption, Misswirtschaft und Polizeiterror. Nach Beginn des Bürgerkriegs 2011 soll es auf der unteren Ebene zu massenhaften Parteiaustritten gekommen sein. Die Baath wurde endgültig zum ideologischen Zombie. “Heute ist der letzte Slogan der Baath-Partei zusammengebrochen, nachdem der Freiheitsslogan schon vor 40 Jahren gefallen war”, schrieb damals der Schauspieler Bassam Jneid in der Tageszeitung “Baladna” in einem mutigen Kommentar. “Um Himmels willen, was von unserer Partei geblieben ist, ist nichts anderes als eine Bande von Dieben, die alles stahlen, was sie konnten, unter dem Deckmantel des Nationalismus.”

Während die irakische Baath 2003 von den US-amerikanischen Besatzern verboten wurde und ihre Kader zur Keimzelle des sunnitischen Widerstands mutierten, scheint die Partei in Syrien vorerst zu überleben. Der siegreichen islamistischen HTS-Miliz bot der letzte Baath-Ministerpräsident Mohammad Ghazi al-Dschalali einen friedlichen Wechsel und Zusammenarbeit an. Welchen Einfluss der Baathismus auf die Geschicke Syriens behält, wird sich unter der neuen Übergangsregierung zeigen. Seine weltpolitische Rolle hat er ausgespielt.