Artikel teilen:

Wie Autorin Britta Flaig ihre Demenz auf der Bühne bekämpft

Erst verlor sie nur ihren Schlüssel, aber irgendwann kam die Diagnose Alzheimer – mit 56 Jahren. Doch Britta Flaig aus Schleswig-Holstein gibt nicht auf, sondern geht auf die Bühne – mit Lesungen.

Britta Flaig bekämpft Demenz auf der Bühne
Britta Flaig bekämpft Demenz auf der BühneRebekka Krüger

„Es kann sein, dass ich anfange zu stottern oder plötzlich panisch werde“, beginnt Britta Flaig aus Eckernförde (Schleswig-Holstein) die Lesung ihres neuen Kinderbuchs „Mama Berta und das Vergessen“ in Kiel. Ihre Erkrankung an Alzheimer-Demenz mache sich oft in Schüben bemerkbar. Wenn das Vergessen kommt, dann oft begleitet von Panik oder Angst. „Nicht erschrecken – dann fängt mein Mann einfach an zu singen. Singen Sie mit oder warten kurz ab, mit altbekannten Liedern fange ich mich schnell wieder.“

Altbekanntes hilft. Alte Lieder, Gedichte aus der Schulzeit und Geschichten – Letztere habe die ehemalige Grundschullehrerin schon immer gerne erzählt. „Malen und Geschichten erzählen – das liebe ich einfach“, sagt die 57-Jährige strahlend. Sie wirkt aufgeweckt, ist sportlich. Dass sie eine schwere Krankheit hat, sieht niemand.

Demenz bei Britta Flaig begann vor sieben Jahren

Vor sieben Jahren hat die Eckernförderin herausgefunden, dass etwas nicht stimmt. Sie verlor immer öfter ihren Schlüssel, vergaß Verabredungen. „Ich werde halt alt“, tat sie es mit Humor ab. „Das ist auch am Anfang richtig so“, erklärt Cornelia Prepernau vom Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein. „Durch Stress oder Lebensumbrüche kommen schnell mal ein paar Dinge durcheinander. Das sollte einen nicht unbedingt beunruhigen“, sagt die Pädagogin und Altenpflegerin. „Erst wenn der Zustand anhält und sich Ungewöhnliches häuft, sollte der Hausarzt aufgesucht werden.“

So war es bei Flaig. Nur, dass Ärzte nicht immer eine Lösung bringen. „Burnout, Burnout, Burnout“ – immer wieder bekam die Lehrerin die gleiche Diagnose. „Ich war in verschiedenen Kuren, in den Bergen wandern, hab Therapien bekommen – das war alles schön und gut, aber eben keine Lösung.“ Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Der Tiefpunkt kam in einer Unterrichtsstunde. „Als mir meine Schüler sagten, dass ich den Arbeitsauftrag vor fünf Minuten schon einmal erklärt hatte, wusste ich: So kann es nicht weitergehen.“ Den Job musste sie aufgeben.

Endlich eine Diagnose – auch wenn es Alzheimer

Erst seit ein paar Jahren würden beim Verdacht auf Demenz schneller eindeutigere Tests durchgeführt, erklärt Prepernau. Dabei sei die schnelle Diagnose wichtig. „Es gibt Demenzen, die behandelbar sind.“ Würden sie frühzeitig erkannt, könne gegengesteuert werden. Oft käme eine eindeutige Diagnose aber spät und daher in höherem Alter.

Bis dahin ist der Weg voller Verunsicherung, Selbstzweifel und kräftezehrend. „Ich war nachher so weichgekocht, dass ich einfach froh war, eine Diagnose zu haben“, erinnert sich Flaig. „Da war erst mal eine große Erleichterung und dann tiefe Trauer, keine Angst, sondern wirklich Trauer.“

Die Kunstlehrerin ist Mutter von vier Kindern und Oma von drei Enkelkindern. Es sieht gelassen, fast leicht aus, wie sie in Latzhose dasitzt, bunte Bilder hochhält und aus ihrem Kinderbuch liest. Es erzählt von Schafkindern, die herausfinden, dass ihre Mutter Demenz hat. „Dann kriegt die Mama Hilfe, und zum Schluss finden sie alle wieder zusammen.“

Demenz: Kommunikation ist alles

Mittlerweile haben auch Flaigs Kinder ihren Frieden mit der Krankheit gemacht – zumindest „so gut es geht“, sagt Sohn Joram. Es sei hart, aber es könne geschafft werden. „Weil wir alle in einem so guten Austausch stehen und Mama so offen damit umgeht“, beschreibt der 23-Jährige. Offenheit und Akzeptanz seien im Umfeld essenziell. Von der Diagnose zu wissen und sie zu verstehen, seien verschiedene Dinge. Wichtig sei, nachzufragen und Unterstützung anzubieten.

Für Betroffene könne gute Organisation unangenehmen Überraschungen vorbeugen. Dazu gehöre beispielsweise ein Rucksack oder eine Tasche. „Diese Tasche muss jeden Tag gepackt werden. Wo ist der Schlüssel, wo ist die Brille und wo sind andere Dinge, die wirklich wichtig sind“, zählt Flaig auf. „Das ist jeden Tag eine Übung, und man muss weniger suchen.“ Der zweite Punkt sei eine Ergotherapie, die spezialisiert auf Alzheimer ist.

„Am wichtigsten ist und bleibt aber Kommunikation“, betont die Lehrerin. Früher seien Freunde und Bekannte manchmal wütend gewesen, wenn Flaig wieder eine Verabredung vergessen hat. „Jetzt wissen sie, dass sie mich lieber vorher noch mal anrufen“, sagt sie und lacht. Die Autorin möchte Menschen Mut machen, den ersten Anzeichen auf den Grund zu gehen, sich nicht von Fehldiagnosen verunsichern zu lassen. „Geht auf die Suche, wenn ihr das Gefühl habt, da stimmt irgendetwas nicht.“ Vergessen gehe mit der Krankheit einher, deswegen müsse aber niemand aus der Gesellschaft verschwinden.