Nicht einmal jeder fünfte Deutsche erfüllt die Kriterien eines gesunden Lebensstils. Mehr als neun Stunden pro Tag verbringen die Bundesbürger in sitzender Position. Experten empfehlen Spaziergänge – auch im Winter.
Knisterndes Kaminfeuer, Festessen, herzergreifende Filme im TV und Süßes auf dem Weihnachtsteller. Die Versuchung, die trübe Winterzeit auf der heimischen Couch zu verbringen, ist groß.
Doch auch die Winterzeit sollte Bewegungszeit sein, fordern Gesundheitsexperten. Eine Runde durch den Park oder um den Block, ein Spaziergang durch Wald und Feld – auch bei Regen und Schnee. Denn Bewegung und frische Luft sind eine echte Wohltat für Lungen, Herz, Muskeln und Bandscheiben, aber auch für Immunsystem und Psyche. Denn Spazierengehen wirkt laut Studien gegen Trübsal und Winterblues, kann depressiver Stimmung vorbeugen. Um den inneren Schweinehund zu überwinden, hilft der alte Spruch, dass es kein schlechtes Wetter gibt, sondern nur schlechte Kleidung.
Wer rastet, der rostet: Der Spaziergang ist spätestens seit der Corona-Pandemie und mehreren Lockdowns en vogue. “Spazierengehen ist ein Gesundheitsklassiker: Es geht einfach, jeder kann es tun und es lässt sich wunderbar in den Alltag einbauen”, sagt Maximilian Rudert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Auch psychisch ist so ein Spaziergang ein Genuss.
Wissenschaftliche Studien dazu gibt es viele. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche. Das wären etwas über 21 Minuten pro Tag. Jedoch ergab eine Studie der Cambridge Universität, dass bereits elf Minuten zügiges Gehen pro Tag reichen, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Krebs deutlich zu senken.
Einer von sechs vorzeitigen Todesfällen hätte verhindert werden können, wenn sich alle Studienteilnehmer an die allgemein empfohlenen 150 Minuten Bewegung pro Woche gehalten hätten, so die britischen Wissenschaftler. Die elf Minuten pro Tag hätten einen von zehn Todesfällen verhindert.
Zum Gehen braucht man keine spezielle Ausrüstung und muss sich keine komplizierten Bewegungsabläufe merken. Eine gestärkte Muskulatur stützt und entlastet die Wirbelsäule und hilft somit, Rückenbeschwerden zu vermeiden, so die medizinischen Fachgesellschaften. Die aktive und gleichzeitig schonende Bewegung beim Gehen stärkt neben den Rückenmuskeln besonders auch die großen Muskelgruppen an Bauch, Beinen und Po. Gleichzeitig ist die moderate Bewegung gut für die Gelenke, die damit beweglich gehalten, aber nicht zu stark beansprucht werden.
Doch reicht ein kleiner Spaziergang? Oder muss man schon eine Wanderung oder gar Nordic Walking machen, um einen nennenswerten Gesundheitseffekt zu erzielen? “Wir Menschen haben einen natürlichen Drang zur Bewegung. Grundsätzlich ist jede Art von Bewegung gesund”, sagt Bernd Kladny, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Für den einen sei es der kleine Spaziergang in der Mittagspause, ein anderer liebe lange Wanderungen. “Ein Richtig und Falsch gibt es da nicht, wichtig ist vor allem, dass man es regelmäßig und entsprechend seiner körperlichen Fitness tut.”
Besonders effektiv ist jedoch aus Sicht der Orthopäden zügiges Spazierengehen. Es strengt mehr an und hat deshalb einen stärkeren Trainingseffekt. Es fördert die Durchblutung und die Sauerstoffzufuhr zu den Rückenmuskeln und verbessert somit deren Funktion. Im Alter kann dadurch auch dem Muskelabbau entgegengewirkt werden. “Zügiges Spazierengehen kann eine gute Alternative zum Joggen sein, bei dem die Gelenke stark beansprucht werden. Nordic Walking wiederum ist gesund für die Rückenmuskulatur, weil es eine Bewegungsform ist, die nicht nur die Beine, sondern auch den Rumpf, die Schultern und die Arme beansprucht.”
Ein guter Trainingseffekt ergibt sich beim Gehen auf unebenen Untergründen, beispielsweise Waldböden, Wiesen oder auf Geröll in Berggegenden. Das Gehen zwingt dabei den Körper zu Ausgleichsbewegungen, das fördert auch die Balance. Das ist wieder von Vorteil für ältere Menschen, um Stürzen vorzubeugen.