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Wenn Papa nicht mehr wiederkommt

Nach schweren Verkehrsunfällen, Suiziden, Katastrophen im Kleinen wie im Großen kümmern sich besonders geschulte Seelsorgekräfte um Angehörige und Hinterbliebene. Sie trösten, helfen weiter, bleiben. Bis die Trauernden allein zurechtkommen

Sie saßen gerade am Frühstückstisch. Sie war nur eben in die Küche gegangen, um Kaffee nachzuholen. Als sie wiederkam, lag er neben seinem Stuhl auf der Erde.
Der Notarzt kann ihm nicht mehr helfen. Er ruft die Notfallseelsorge, weil er den Eindruck hat, dass die Ehefrau jetzt nicht alleine gelassen werden sollt
e.

Notfallseelsorger haben in solchen Situationen Zeit. Sie helfen den geschockten Angehörigen zu realisieren, was da gerade passiert ist. Sie unterstützen sie dabei, wieder handlungs- und entscheidungsfähig zu werden. In Ohnmacht, Angst, Verzweiflung und Wut lassen sie niemanden allein und halten Schweigen und Stille ebenso aus, wie Schreie und Aggressionen. Sie ermöglichen und gestalten den Abschied. Sie sorgen dafür, dass Hinterbliebene auch nach ihrem Besuch nicht alleine sind, sondern unterstützt werden von Menschen, die sie um sich haben möchten.

Als er von der Arbeit kam, suchte er seine Frau in der ganzen Wohnung. Er rief Freunde an. Niemand wusste, wo sie war.
Nach Stunden der Suche fand er sie erhängt auf dem Dachboden. Hätte er doch sofort dort nachgesehen. Vielleicht hätte …

Schuldgefühle kommen nach Suiziden oft zur Sprache. Notfallseelsorger haben sich in ihrer Ausbildung intensiv mit den Gründen für Suizid und den Vorgehensweisen von Suizidanten, also Menschen, die einen Selbstmordversuch unternomme haben oder Selbstmordabsichten hegen, beschäftigt. Gemeinsam bedenken sie mit den Angehörigen all ihre Fragen. Das hilft, damit sie nicht das ganze Leben bedrücken.
Sie wissen, dass der Austausch mit Menschen, die die gleiche Erfahrung gemacht haben, hilfreich sein kann und unterstützen bei der Vermittlung von weiteren Hilfsangeboten.

Auch bei schweren Verkehrsunfällen wird die Notfallseelsorge hinzugezogen. Allein in Nordrhein-Westfalen kam im vergangenen Jahr im Durchschnitt alle 17 Stunden ein Mensch bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Die Notfallseelsorge wird in diesen Fällen gerufen, um sich um Augenzeugen und unverletzte Unfallbeteiligte zu kümmern. So können Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei sich auf ihre Arbeit konzen­trieren.
Eine Todesnachricht zu überbringen, wie etwa nach solchen schweren Verkehrsunfällen, ist rechtlich gesehen wiederum Aufgabe der Polizei. Doch lassen sich die Beamten dabei gerne von Mitarbeitenden der Notfallseelsorge begleiten. Denn ihre Botschaft löst in der Regel große Schmerzen und starke Reaktionen aus, die nicht aufhören, wenn sie schon wieder gehen müssen. Und auch weil sie nicht sicher wissen, ob die Angehörigen des Verstorbenen bis dahin auch wirklich alle Informationen verstanden und bewusst wahrgenommen haben.
Denn Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger bleiben, wenn die Polizei die Wohnung bereits wieder verlassen hat. Sie nehmen Kinder, Ehepartner, Eltern des Verstorbenen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen in den Blick, geben ihnen den Raum, den sie in diesem Moment für sich brauchen. Sie wiederholen Informationen der Polizei und bleiben solange bei den Hinterbliebenen, bis die Trauernden allein zurechtkommen.

Weitere Einsatzszenarien für die Notfallseelsorge sind die nach Katastrophen wie etwa Überschwemmungen, Erdbeben, Bahnunfällen, Flugzeugabstürzen oder nach Terroranschlägen und Attentaten mit vielen Toten und Verletzten. Das sind nur einige Beispiele von Ereignissen im In- und Ausland, bei denen eine große Zahl von Menschen gleichzeitig betroffen ist und entsprechend viele Notfallseelsorgekräfte nötig sind, um Beistand zu leisten.
Die seelsorgliche Arbeit an sich bleibt dabei zwar die gleiche. Was sich aber entscheidend verändert, ist der Organisationsgrad. Denn wo mehrere Notfallseelsorger zum Einsatz kommen, muss dieser Einsatz koordiniert werden. Zwischen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst und weiteren Hilfsorganisationen sind verstärkt Absprachen notwendig. Sind bei Unglücken im Ausland oder Ereignissen von regionaler Bedeutung Behörden des Bundes und des Landes maßgeblich involviert, organisiert Notfallseelsorge zudem die Betreuung der Betroffenen an ihrem Wohnort.

Notfallseelsorge steht in Gottes Auftrag überall dort, wo der Tod plötzlich in das Leben von Menschen tritt. In einem Wohnzimmer. An einem Unfallort. In einer Schule. Allein indem sie da ist, ändert sich das Bild.
Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger stehen im Auftrag Gottes an der Seite der Menschen, die unter dem plötzlichen Tod eines Menschen leiden. Sie sind bildlich gesprochen die Augen Gottes, der das Leid der Menschen sieht. Sie sind die Ohren Gottes, der ihr Klagen und Weinen hört. Sie sind die Füße Gottes, der gerade an der Seite der leidenden Menschen steht. Sie sind Hände und Lippen Gottes, um den Leidenden helfende Gesten und Worte anzubieten.

Weitere Informationen unter www.notfallseelsorge-ekvw.de und www.notfallseelsorge.de.