GÜTERSLOH – Wer nichts zahlt, wird ebenso freundlich bedient wie der, der für den Teller mit dem dampfenden Braten eine Spende hinlegt. Die Vesperkirche in der Gütersloher Martin-Luther-Kirche funktioniert nach dem Grundsatz „Alle sind willkommen“. Initiator Nils Wigginghaus hat die Idee in Süddeutschland kennengelernt, wo unter anderem in Stuttgart bereits seit Jahren Kirchen zur Winterzeit ihre Türen öffnen und zur „Vesper“, also einer Mahlzeit, einladen. Mit rund zwei Jahren Vorlauf konnte jetzt auch erstmals in Nordrhein-Westfalen gevespert werden.
„Wir laden in eine Kirche ein und die evangelische Kirchengemeinde Gütersloh ist Trägerin, aber das Projekt ist eigentlich überkonfessionell“, erklärt Nils Wigginghaus. Das fängt schon bei dem zwölfköpfigen Steuerkreis an und gilt auch für die rund 500 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zwei Wochen lang die Gäste versorgen. „Darunter sind Firmenbelegschaften, Sportvereine und Schulklassen“, erzählt Wigginghaus. Gerade die Tatsache, dass die „Vesperkirche“ eben nicht rein kirchlich sei, habe viele Menschen zum Mitmachen bewogen.
Und zu tun gibt es genug: Täglich werden 300 Essen ausgegeben – mehr ist trotz generalstabsmäßiger Planung nicht zu schaffen. Die Nachfrage ist jedoch deutlich höher: In den neun Tagen, die das Projekt nun schon läuft, kamen mittags jeweils 400 bis 450 Menschen in die Kirche. Manch einer musste sich daher mit einem Kaffee begnügen.
Trotzdem kehrten viele immer wieder: Etwa 30 bis 40 Prozent des Publikums sind Stammgäste, hat Wigginghaus beobachtet – „und die sind bunt gemischt, von wirtschaftlich Bedürftigen bis hin zum Unternehmer, der täglich hier isst“.
Diese Mischung ist Wigginghaus besonders wichtig. „Wir machen keine Armenspeisung“, betont er. Vielmehr sei die „Vesperkirche“ ein gesamtgesellschaftliches Projekt, das Menschen miteinander in Kontakt bringen solle. „Natürlich bin ich froh, dass die kommen, die bedürftig sind – sonst wäre es kein Erfolg“, sagt der Initiator. „Aber es wäre auch kein Erfolg, wenn die wegblieben, die sich das Essen gut leisten können.“
Die Reaktionen der Gäste sind ganz überwiegend äußerst positiv. Zwar ist jeder Tag anders, erzählt Wigginghaus, je nach Essensangebot und Mitarbeiterteam. Manchmal herrsche eher ruhigere Stimmung – „aber meistens ist hier um zwölf, wenn es losgeht, richtig Halli-Galli“.
Wie sieht es aus mit einer Fortsetzung im nächsten Jahr? Wigginghaus will sich noch nicht festlegen. „Das entscheidet der Trägerkreis in aller Ruhe, wenn wir hier fertig sind und alles ausgewertet haben“, sagt er. Aber immerhin: „Wir haben ja einiges angeschafft, und der Wunsch ist da – das schreit ja geradezu nach einer Wiederholung“, meint Wigginghaus. leg