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Weitere Kritik an Behörden nach Kirchenasyl-Bruch

Einen Tag nach dem Bruch eines Kirchenasyls in Schwerin durch die Polizei am Mittwoch (20. Dezember) hält die Kritik am Vorgehen der Behörden an. Die Vorstandsvorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Pastorin Dietlind Jochims, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag in Hamburg, es sei ihr unverständlich, wie die Behörden mit der betroffenen geflüchteten Familie aus Afghanistan umgegangen seien und bislang respektierte Schutzräume wie das Kirchenasyl missachtet hätten.

Der katholische Erzbischof Stefan Heße (Hamburg) sagte, es sei erschreckend, dass die staatlichen Stellen das Kirchenasyl zu brechen versucht hätten „und die betroffene Familie der Gefahr einer erneuten Traumatisierung ausgesetzt haben“. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein appellierte an die Kieler Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne), einen gesicherten Aufenthalt der afghanischen Familie zu gewährleisten, und an den Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD), „seine im landesweiten Vergleich inzwischen für ihr restriktives Verwaltungshandeln berüchtigte Ausländerbehörde an die Kette“ zu legen.

Die Polizei in Schwerin hatte wegen eines Amtshilfegesuchs der Kieler Ausländerbehörde am Mittwoch ein bestehendes Kirchenasyl in der evangelischen Petrusgemeinde in Schwerin gebrochen, um zwei erwachsene Söhne einer sechsköpfigen afghanischen Familie nach Spanien abzuschieben. Die Abschiebung scheiterte, weil sowohl die Mutter als auch einer der Söhne sich in einem psychischen Ausnahmezustand befanden. Bis auf die Mutter, die sich noch in einer Klinik befindet, hält sich die Familie weiter im Kirchenasyl der Gemeinde auf.

Wie Jochims mitteilte, handelt es sich bei der Mutter um eine bekannte Frauenrechtlerin und Journalistin, die in ihrer Heimat nach der Machtübernahme der Taliban massiv bedroht wurde. Über das Aufnahmeprogramm für Afghanistan des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes war der Familie zunächst eine Aufnahme in Deutschland zugesichert worden. Die Visumserteilung verzögerte sich laut Jochims massiv. Da das Leben der Familie in Afghanistan zusehends gefährdet gewesen sei und sie dringend medizinische Behandlung benötigt habe, floh sie in den Iran. Von dort aus sei die Familie mit einem spanischen Visum nach Europa gelangt. „Es ist ein Armutszeugnis für die Behörden, dass die Visa-Formalitäten viel zu schleppend angesichts der Lebensgefahr für die Familie bearbeitet worden sind“, kritisierte Jochims.

Es sei augenscheinlich, dass es das Kirchenasyl nicht gebraucht hätte, wenn die deutschen Behörden ihre Arbeit gemacht hätten, betonte Jochims. „Mit dem Kirchenasyl für Frau Y. und ihre Familie sprang die Kirchengemeinde dort ein, wo das Auswärtige Amt versagte“, sagte sie. Anstatt mit einem Großaufgebot von Polizei und Feuerwehr in bundeslandübergreifender Kooperation anzurücken, hätten sich die deutschen Behörden bei der Familie entschuldigen und den Selbsteintritt im Dublin-Verfahren ausüben können, forderte die Pastorin.

Die Institution Kirchenasyl komme durch die Vorgabe, die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen, zunehmend unter Druck, beklagte Jochims. Auch Kliniken, Schulen oder Ausbildungsbetriebe gälten leider nicht mehr als akzeptierte Schutzräume, aus denen nicht abgeschoben werde. Im Juli hatte ein Fall aus Viersen für Aufsehen gesorgt, als die Polizei ein kurdisches Ehepaar aus dem Irak aus dem Kirchenasyl holte.

Erzbischof Heße, der auch Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist, sagte, das Kirchenasyl werde auch künftig gebraucht, um humanitäre Härten abzuwenden. Deshalb sei es wichtig, dass die Behörden die Tradition des Kirchenasyls respektieren. „Bisher gab es hierfür verlässliche Verfahren, von denen ich hoffe, dass sie auch zukünftig praktiziert werden.“