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Was die Regierung bei Migration und Integration verschärfen will

Bundesinnenminister Dobrindt macht Tempo in Sachen Migrations- und Integrationspolitik. Das Bundeskabinett hat erste Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht. Sie sorgen zum Teil für deutliche Kritik.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat erste Gesetzentwürfe zur Verschärfung der Migrations- und Integrationspolitik auf den Weg gebracht. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet Fragen zu den geplanten Änderungen bei Familiennachzug und Einbürgerungen:

Die Aussetzung, die die Bundesregierung jetzt auf den Weg gebracht hat, gilt nur für den Familiennachzug zu Menschen mit sogenanntem subsidiären Schutzstatus. Ausnahmen sind für diese Gruppe nur in Härtefällen vorgesehen. Wer als Asylberechtigter oder als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt ist, darf auch weiterhin seine engen Angehörigen nachholen.

Subsidiärer Schutz ist neben dem Flüchtlingsschutz und der Asylberechtigung eine der drei möglichen Schutzformen für Asylsuchende. Der subsidiäre Schutz greift, wenn die anderen beiden Formen nicht möglich sind, dem Antragsteller in seinem Herkunftsland aber trotzdem ernsthafter Schaden droht, also etwa Folter oder die Todesstrafe. Häufig sind Menschen mit subsidiärem Schutzstatus auch Bürgerkriegsflüchtlinge. Sie haben einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Ihr Recht auf Familiennachzug ist allerdings bereits eingeschränkt.

2015 war die Möglichkeit für subsidiär Schutzberechtigte, Ehepartner, Kinder oder Eltern nachziehen zu lassen, zunächst erleichtert worden. Nach einem Jahr wurde dies aber schon einmal ausgesetzt. 2018 führte die Bundesregierung dann eine Kontingentregelung ein: Seitdem dürfen maximal 1.000 Visa pro Monat erteilt werden. In den vergangenen beiden Jahren wurde dieses Kontingent ausgeschöpft.

Laut Ausländerzentralregister lebten Ende 2024 gut 381.000 Menschen mit subsidiärem Schutzstatus in Deutschland. Davon kamen rund 296.000 Menschen aus Syrien. Etwa die Hälfte aller subsidiär Schutzberechtigten lebt bereits seit mindestens sechs Jahren in Deutschland. Knapp 66.000 erhielten den Schutzstatus erst im vergangenen Jahr.

Die Union hat schon vor der Bundestagswahl darauf gedrungen, die Zahl der Schutzsuchenden zu begrenzen, weil die Aufnahmekapazitäten ausgeschöpft seien. Die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten ist aus Sicht von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ein Baustein, um die Zahl der ankommenden Flüchtlinge zu reduzieren.

Die Organisation Pro Asyl spricht von einem “Familienzerstörungsgesetz”. Es sei eine Katastrophe für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen seien. Viele Familien warteten schon seit Jahren auf die Bearbeitung ihrer Anträge. Mit der Aussetzung des Familiennachzugs würden zudem legale und sichere Fluchtwege geschlossen. Die Kirchen lehnen den angekündigten Stopp ebenfalls ab. Sie verweisen darauf, dass das Grundgesetz die Familie unter besonderen Schutz stelle und dass dies auch für schutzsuchende Familien gelte. Auch Experten argumentieren, dass Familiennachzug die Integration von Geflüchteten fördere.

Seit knapp einem Jahr gelten für Einbürgerungen kürzere Fristen: Im Regelfall ist sie bereits nach fünf statt zuvor nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich. Bei besonderen Integrationsleistungen ist eine beschleunigte Einbürgerung bereits nach drei Jahren möglich. Diese besonders schnelle Variante will die Bundesregierung nun wieder abschaffen. Innenminister Dobrindt nennt die von der Ampel-Regierung eingeführte “Turbo-Einbürgerung” einen Irrweg: “Die deutsche Staatsbürgerschaft muss am Ende eines Integrationsprozesses stehen – und nicht am Anfang.”

Zustimmung kommt vom Sachverständigenrat für Integration und Migration. Die Abschaffung der Einbürgerung nach drei Jahren sei sinnvoll, “weil damit der Eindruck eines zu leichten Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit korrigiert wird”, sagte der Vorsitzende des Expertengremiums, Winfried Kluth, der “Rheinischen Post” (Mittwoch). Der Migrationsforscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung warnte hingegen davor, dass durch die Rücknahme der Anreiz für Hochqualifizierte sinke, nach Deutschland zu kommen. Andere Verbände wie die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisieren zu lange Wartezeiten bei der Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen.

Um die beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren beantragen zu können, müssen Anwärter besonders gute Integrationsleistungen nachweisen. Dies können zum Beispiel besonders gute Leistungen in der Schule oder im Beruf sein oder auch ehrenamtliches und soziales Engagement. Zudem müssen Anwärter den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie finanzieren können und höhere deutsche Sprachkenntnisse nachweisen. Für die Einbürgerung nach fünf Jahren gelten niedrigere Anforderungen etwa bei den Sprachkenntnissen. Der Lebensunterhalt muss aber ebenfalls finanziert werden können.

Das lässt sich anhand der verfügbaren Statistiken nicht genau sagen. Klar ist nur, dass die Zahl der Einbürgerungen im vergangenen Jahr gegenüber 2023 noch einmal deutlich zugenommen hat. 2023 hatten rund 200.000 Menschen einen deutschen Pass bekommen. Nach Informationen des Mediendienstes Integration aus dieser Woche waren es 2024 mindestens 250.000 neue Einbürgerungen. Aus vier Bundesländern fehlten jedoch noch Daten. Bayern meldete bereits einen neuen Rekord und Nordrhein-Westfalen den höchsten Stand seit dem Jahr 2000. In den 1990er Jahren hatte die Zahl der Einbürgerungen zeitweise bei mehr als 300.000 gelegen.