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Vor 25 Jahren: Russlands Präsident Jelzin übergibt an Putin

Eine gefühlte Ewigkeit lang ist Wladimir Putin schon in Russland an der Macht – entweder als Präsident oder als Ministerpräsident. Den Weg in höchste Ämter bahnte ihm Boris Jelzin.

“Ich habe lange und qualvoll über diese Entscheidung nachgedacht. Heute, am letzten Tag dieses Jahrhunderts, trete ich zurück.” Als der russische Präsident Boris Jelzin am 31. Dezember 1999 in einer Fernsehansprache die Bevölkerung über seinen Entschluss informierte, kam dieser für viele Beobachter völlig unerwartet. Doch dass es nicht gut um Jelzin stand, war schon länger offenkundig. Gerüchte über eine Alkoholerkrankung und Korruption machten die Runde. Politisch war der damals 68-Jährige angezählt, gesundheitlich ohnehin.

“Ich gehe”, verkündete der vor einem Weihnachtsbaum mit reichlich Lametta sitzende Präsident, dessen Gesichtszüge maskenhaft erstarrt wirkten. “Ich habe alles getan, was ich konnte. Ich gehe nicht wegen der Gesundheit, ich gehe wegen der Gesamtlast der Probleme. Mir folgt eine neue Generation, eine Generation, die mehr und Besseres zu leisten vermag.” Die Amtsgeschäfte übergab Jelzin noch am selben Tag seinem Wunschnachfolger: Wladimir Putin. Im Rückblick betrachtet lässt sich dieses Ereignis durchaus als welthistorischer Moment begreifen.

Vor 25 Jahren sah die Sache freilich anders aus. “Wladimir Putin, der Präsident, der aus dem Nichts gekommen ist”, schlagzeilte damals die “Welt”. Lange verfolgte Putin eine Karriere im Schatten der Macht: zu Sowjetzeiten in der Abteilung Auslandsspionage beim KGB, später als Berater seines früheren Professors Anatolij Sobtschak, der Bürgermeister von Sankt Petersburg geworden war, schließlich als Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB. Erst im August 1999 hatte der nach außen etwas blässlich wirkende Putin sein Amt als russischer Ministerpräsident angetreten.

Im Gegensatz zu dem alt und verbraucht wirkenden Jelzin verkörperte dessen Nachfolger in den Augen vieler Landsleute einen Neuaufbruch. “Wie ein junger Prinz strahlt er den Zauber politischer Frische aus”, schwärmte der frühere Vatikanbotschafter Wjatscheslaw Kostikow in der Wochenzeitung “Moskowskije Nowosti”. Inzwischen ist Putin 72, und damit vier Jahre älter als Jelzin bei seinem Rücktritt – ohne dass sich ein solcher Schritt auch nur andeuten würde.

Der einstige Hoffnungsträger führt sein Land mit eiserner Hand. Aus dem Reformer ist ein Kriegstreiber geworden, der spätestens seit dem Überfall auf die Ukraine in weiten Teilen der westlichen Welt jeden Kredit verspielt hat. Sein Volk hält Putin unter der Knute wie zu Zeiten der kommunistischen Diktatur; die russisch-orthodoxe Kirche hat sich unter ihrem Patriarchen Kyrill I. zu einer willfährigen Stütze der Macht zurückentwickelt – fast wie einst im Zarenreich.

Und doch warnt der Historiker Karl Schlögel davor, mit Blaupausen aus der Vergangenheit das Phänomen Putin erklären zu wollen. “Ich denke, dass die Herausforderung gerade darin besteht, ihn als eine wirklich neue Figur zu verstehen, die hervorgegangen ist aus dem Zerfall des russisch-sowjetischen Imperiums”, sagte Schlögel unlängst in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Man finde bei Putin einerseits vormoderne, autoritäre und archaische Elemente. “Andererseits ist er jemand, der gewieft ist und virtuos mit den Mitteln der postmodernen medialen Choreographie umgehen kann.”

Seit Putin Präsident seines Landes geworden sei, habe er alles darangesetzt, “Russland wieder zu einem Akteur auf der internationalen Bühne zu machen, an dem niemand vorbeikonnte”, schreibt die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich manche kritische Frage zu ihrer Russlandpolitik gefallen lassen muss, in ihren soeben erschienen Memoiren. “Um den Aufbau demokratischer Strukturen oder Wohlstand für alle durch eine gut funktionierende Wirtschaft ging es ihm nicht, weder in seinem Land noch anderswo.”

Wie sagte doch Jelzin in seiner Ansprache am letzten Tag des Jahres 1999? “Russland muss ins neue Jahrtausend mit neuen Politikern eintreten, mit neuen Gesichtern, mit neuen, klugen, starken, energischen Menschen.” Ihr Mann, beteuerte Jelzins Witwe Naina Jelzina einmal, habe sich stets für ein besseres Russland eingesetzt. Das klingt heute tatsächlich wie eine Botschaft aus einem anderen Jahrtausend.