In Afghanistan ist er zur Schule gegangen. Als Student leistete er Auslandseinsätze in der Türkei, in Polen und in Indien. Auf den Philippinen unterrichtete er Biblische Theologie und als Auslandspfarrer der EKD arbeitete er im bolivianischen La Paz. Der 54-jährige Christian Reiser war schon immer in der Welt zu Hause und an der Entwicklungszusammenarbeit interessiert. Am vergangenen Sonntag wurde er in der Erlöserkirche in Bad Salzuflen vom Vorsitzenden des Kuratoriums der Gossner Mission, Harald Lehmann, in sein neues Amt als Missionsdirektor eingeführt.
Warum feiert ein in Berlin beheimatetes Missionswerk die Einführung seines Direktors in Lippe? „Die Gossner Mission hat überall in Deutschland starke Freundeskreise: In Ostfriesland zum Beispiel, in Wiesbaden, aber auch in Westfalen und Lippe“, sagt Reiser. „Wir sind kein Berliner Missionswerk, sondern bundesweit aktiv.“ Weshalb der Theologe, dessen Großvater Pfarrer war, auch schon in seinem Studium mit der Gossner Mission in Berührung kam: Damals war das Missionswerk eine von wenigen Institutionen, die sozialmissionarische Arbeit anboten – zum Beispiel ein Halbjahresprogramm für Pfarrer und Theologiestudenten, die in Industriebetriebe hereinschnuppern wollten. Denn die Industriearbeiter wurden lange Zeit als die abhängigsten Menschen in der deutschen Gesellschaft gesehen. Und so etwas hat in der Gossner Mission Tradition: Schon der Gründer des Missionswerks, der Theologe Johannes Evangelista Gossner, sandte einst Handwerker aus, die mit den Menschen mitleben sollten. „Er baute keine Missionsstationen, die erst einmal glänzen mussten – die Menschen gingen zu den Menschen“, sagt Reiser. „Es geht bis heute um ein ganzheitliches Missionsverständnis: Um den Glauben, die Taufe und die Hilfe für das ganze Leben.“
Wer ehrlich Mission betreibe, werde Dinge erfahren und erleben, die den Betreffenden auch selbst veränderten. „Mission ist nie nur Einbahnstraße – sie verändert alle Beteiligten“. Frei gewählt sei diese Aufgabe nicht, „von Glauben erzählen, ihn anderen Menschen mitzuteilen – diese Aufgabe haben Christen immer“.
Heute ist die Gossner Mission vor allem in Sambia, Indien und Nepal aktiv. „In Indien unterstützen wir die Gossner Kirche, eine Kirche, die einst aus unserer Missionsarbeit entstand“, sagt Reiser. Es sei eine Kirche von Menschen am Rand der Gesellschaft, eine Kirche von Adivasi, stark diskriminierten Ureinwohnern. „Als Christen und Kastenlose leben sie in einer doppelten Minderheitensituation.“ Da sei es wichtig, dass die Gossner Mission ein Hilfswerk sei, das von außen, aus Europa, Unterstützung leisten könne. „Es ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Die Gossner Kirche in Indien ist – und darauf sind wir stolz – die erste Kirche, die selbstständig geworden ist.“ Die Gossner Mission unterstütze die Gossner Kirche in ihrer Missionsarbeit und im Aufbau eines Dorfentwicklungsprogramms für die Teepflücker im entfernten Assam.
In Deutschland will sich Reiser dafür einsetzen, dass sich die Gossner Mission wieder stärker auch den Armen und Ausgegrenzten der hiesigen Gesellschaft widmet. „In den Kirchen gibt es nur noch wenige Sozialpfarrer“, sagt Reiser. Gleichzeitig gehe die Schere zwischen Arm und Reich aber auch in Deutschland immer weiter auseinander. In vielen Gemeinden gibt es hoffnungsvolle Initiativen. „Diese miteinander zu vernetzen, darin sehe ich für unser Werk eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.“
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Vom Weltenbummler zum Direktor
Pfarrer Christian Reiser ist neuer Direktor der Gossner Mission. Sein Leitsatz: Mission ist keine Einbahnstraße – sie verändert alle Beteiligten
