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Vom Personenschützer zum Krippenschnitzer

Geradlinig ist Wolfgang Mans‘ Leben nicht verlaufen. Dreimal hat er von heute auf morgen den Beruf gewechselt. Jetzt hat er seine Bestimmung gefunden. Wolfgang Mans hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er schnitzt Krippen

Harald Oppitz/KNA

„Herrlich, wie das riecht.“ Wolfgang Mans schnuppert an einem Stück Holz, das er eben mit der Säge aus einem größeren Block herausgeschnitten hat. „Immer wenn ich diesen Geruch in der Nase habe, weiß ich, warum ich das hier tue.“ Wenn Mans „das hier“ sagt, dann meint er seine Arbeit als Holzschnitzer und Krippenbauer. In einer Garage inmitten einer Wohnsiedlung oben am Bonner Venusberg hat der Handwerker sein Reich. Diverse Sägen, Schleif- und Stanzmaschinen füllen den kleinen Raum, an den Wänden stapeln sich Holz und Rindenstücke, alte Marmeladen- und Gurkengläser dienen zur Aufbewahrung von Kleinteilen und Flüssigkeiten. Es riecht nach Holz und Leim. Wenn eine der Maschinen läuft, dann wird es laut.

Manchmal sitzt er zwölf Stunden in der Werkstatt

In den Wochen vor Weihnachten verbringt der 61-Jährige einen Großteil seiner Zeit in der Werkstatt. „Zehn- oder Zwölf-Stunden-Tage sind da keine Seltenheit.“ An den Wochenenden ist er auf verschiedenen Weihnachtsmärkten anzutreffen. Wo genau – das wählt er bewusst aus. „Die Stadt Bonn fragt mich jedes Jahr, ob ich nicht am Marktplatz einen Stand haben will, aber da will ich nicht hin. Da geht es ja nur ums Glühweintrinken.“ Viel lieber verkauft er seine Waren auf den kleinen Märkten der Region. „Da herrscht eine wunderschöne Atmosphäre.“
Krippen schnitzen, mit Holz arbeiten – das ist für den stattlichen Bonner mit den großen Händen eine echte Leidenschaft. Und seit knapp sieben Jahren ist es auch sein Hauptberuf. Dass es dazu gekommen ist, verdankt er einem Zufall. Bei einem Urlaub in Bayern hatte sich seine Frau in eine Oberammergauer Krippe verliebt. „Viel zu teuer“, meinte dazu der Ehemann, der zu dem Zeitpunkt in einer Kölner Bank arbeitete. Den enttäuschten Blick der Gattin quittierte er mit einem versöhnlichen „das krieg ich auch selber hin“.
Und weil Mans ein Mensch ist, der hält, was er verspricht, machte er sich tatsächlich an die Arbeit. „Mit den ersten Versuchen war ich nicht zufrieden. Aber schön langsam nahm die Sache Gestalt an, und zu Weihnachten hatte ich tatsächlich etwas Vorführbares fertig bekommen.“ Mans‘ Frau war begeistert – und nicht nur sie. Schnell sprach sich das neue Hobby des Bonners unter Freunden und Verwandten herum. Und ebenso schnell hatte der frischgebackene Krippenbauer die ersten Bestellungen auf dem Tisch.
Eine Zeit lang lief das so nebeneinander her: Tagsüber arbeitete Mans in der Bank, abends bastelte er in der Werkstatt. Doch je mehr Bestellungen hereinkamen, umso arbeitsintensiver wurde das Hobby. „Oft war ich bis weit nach Mitternacht am Werkeln“, erinnert sich der Schnitzer. Nicht nur seine Frau fand, dass das so nicht weitergehen könne. Hinzu kam, dass sich Mans in seinem Hauptjob nicht mehr wohlfühl-te. „Ich war eigentlich nur noch Verkäufer.“ Als ihm sein Chef schließlich auftrug, einer über 80-jährigen Dame einen Bausparvertrag mit einer Laufzeit von zwölf Jahren zu verkaufen, zog Mans die Reißleine. Seitdem baut er hauptberuflich Krippen.

Die Entscheidung zur Selbstständigkeit

Bereut hat er seine Entscheidung nicht. „Es hat große Vorteile, wenn man nicht an einen geregelten Arbeitsalltag gebunden ist. Wenn morgens schönes Wetter ist, und ich Lust auf einen Waldspaziergang habe, dann mache ich den einfach.“ Umgekehrt stehe er schon mal um zwei Uhr nachts auf, weil ihm gerade eine Idee in den Kopf schießt. Auch finanziell braucht sich Mans keine Sorgen zu machen. Das Haus ist schuldenfrei, Kinder hat er nicht, und das Geschäft mit den Krippen läuft gut.
Außerden hat Mans mit abrupten Richtungswechseln schon einige Erfahrungen. „Meine Berufe habe ich immer aus dem Bauch heraus gewählt“, schmunzelt er. Das begann schon nach der Mittleren Reife. Zweimal war er bereits sitzengeblieben, ein drittes Mal drohte – da half nur: runter von der Schule und rein ins Berufsleben. Doch Mans hatte keine Ahnung, wo er anfangen sollte.
Da fiel ihm ein Plakat ins Auge, das Werbung für eine Karriere beim Bundesgrenzschutz machte. Er bewarb sich und wurde genommen. Nach einer kurzen Grundausbildung in Fuldatal bei Kassel kehrte er ins Rheinland zurück und wurde dort zum Personenschutz eingeteilt. Am häufigsten durfte er Bundestagspräsidentin Annemarie Renger begleiten – „eine Top-Frau“, wie sich Mans erinnert. Es war die Hoch-Zeit der RAF – doch davon hat der Personenschützer nur aus dem Fernsehen erfahren. „Ich war nie in einer brenzligen Situation, Gott sei Dank.“ Am spannendsten seien die Skatrunden mit der Bundestagspräsidentin gewesen, schmunzelt er.
Nach vier Jahren beim Bundesgrenzschutz entschied sich der Mittzwanziger kurzerhand zum beruflichen Neuanfang: Er wurde Fototechniker und Fotograf. „Bei Agfa hatte ich eine schöne Zeit“, blickt Mans zurück. Am eindrucksvollsten war ein langer Aufenthalt auf den Malediven, wo er für einen Fotokalender Aufnahmen machen durfte.
Und dann in die Bank? „Auch das war wieder so eine Bauchentscheidung“, erzählt er. Nach der Wende verlegte Agfa sein Werk nach Jena. „Ich hätte mitkommen können. Aber da ich sehr heimatverbunden bin, wollte ich das nicht.“ Wo also jetzt hin? „Der Wirtschaft ging es ziemlich schlecht damals, vieles drohte den Bach hinunterzugehen. Da dachte ich mir: Die letzten, die zumachen, sind die Banken.“ Mans bewarb sich bei einer Bank. Abermals mit Erfolg. „So wurde ich Banker.“
Es ist spät geworden. Mans muss noch zusammenpacken für den nächsten Weihnachtsmarkt. Oben im Haus hat er einen kleinen Ausstellungsraum. Hier stehen die Früchte seiner Arbeit aus den vergangenen Wochen und Monaten: Engel und Teelichtschalen, Brotdosen aus Zirbenholz („die ätherischen Öle binden Keime und verhindern, dass das Brot schimmelt“) und natürlich: Krippen. Ob klassisch-alpenländische Ställe, moderne Figurenarrangements oder kreative Wurzel- und Laternenkrippen – hier ist für jeden Geschmack etwas dabei. Gut 200 Euro muss man für eine Krippe berappen, Wurzelkrippen gibt es schon ab 60 Euro. Nur die traditio-nellen Figuren aus dem Alpenraum schnitzt Mans nicht selber. Die bezieht er von Kollegen vor Ort, meist aus Südtirol.

Traditionelle Figuren aus Südtirol

Aus Südtirol oder dem Allgäu kommen übrigens auch die Rohstoffe. Ein- oder zweimal im Jahr brechen die Mans‘ gen Süden auf. Mit wenig Gepäck. Müssen sie auch, denn auf der Rückfahrt ist das Auto vollgepackt mit Rinden, Wurzeln und Hölzern. „Oft lacht meine Frau, wenn ich mal wieder mit einem besonders kuriosen Stück ankomme. Und ist dann ganz erstaunt, wenn sie sieht, was ich draus mache“, sagt Mans und lacht.