Hamburg. „Die richtig große Feier hatten wir schon vor zehn Jahren. Zum Glück“, sagt Bernd Meier und zieht sich seine Seemannsmütze tiefer in die Stirn. Hinter ihm ragen die weißen Plattenbauten wie Zähne eines riesigen Gebisses in den Januarmorgen. Vor ihm das Kirchengebäude. Ein grauer Koloss. Von außen nicht wirklich als Kirche zu erkennen. „Charme einer Industriehalle, sagen manche.“
Hier, ganz im Westen Hamburgs, leben rund 13 500 Menschen auf eineinhalb Quadratkilometern. Mittendrin: die Maria-Magdalena-Kirche. Meiers Freude, dass das große Jubiläumsfest schon vor zehn Jahren stattfand, bezieht sich nicht nur auf die Corona-Pandemie, die das Feiern kaum möglich macht. „Damals waren sie alle da. Wie früher“, erzählt der 72-Jährige. Am vergangenen Sonntag wurde dennoch ein Jubiläumsgottesdienst gefeiert.
Aufbruch in neue Zeit
Bernd Meier ist stellvertretender Vorsitzender des Kirchengemeinderats und seit Ende der 70er Teil der Gemeinde. „Ich bauchte etwas Zeit, um mich mit ihr anzufreunden“, sagt er. Mit den Startschwierigkeiten war er nicht allein. Denn was damals am Osdorfer Born entstanden war, war einzigartig. „Heute sagt man niederschwellig. Damals war es ein Aufbruch in eine neue Zeit“, so Meier.
Fest dauerte drei Tage
Aus ganz Norddeutschland seien die Menschen gekommen, um sich diese neue Art von Kirche anzuschauen, sie zu erleben. Da gab es auf einmal nicht mehr einen Pastor, der seiner Gemeinde vorstand, sondern ein Team mit Sozialarbeitern. „Die Gemeindeversammlung ist hier entwickelt worden“, so Meier. In der Kirche trafen sich Politik, Vereine, Gruppen. Die Gemeinde war eine Antwort auf die neu entstandene Siedlung. Das alte Konzept von Kirche funktionierte hier nicht.
„Die Menschen waren hier nicht zu Hause. Sie wohnten hier. Wir als Gemeinde waren der kulturelle Ort.“ Und die Kirche war für sie da. Als Treffpunkt, aber auch als „Reparaturbetrieb für den nicht funktionierenden Sozialstaat“, so Meier. Das Team der Gemeinde: junge Menschen, die etwas verändern wollten. Meier erzählt von einem Kirchenkreisfest auf dem Gelände, das drei Tage gedauert hat, davon, dass Konfirmandenjahrgänge im dreistelligen Bereich die Regel waren.
Warum die Pastoren umziehen mussten
Doch diese Zeiten sind vorbei. „Von einer Geschichte des grausamsten Niedergangs einer Gemeinde“ spricht Gemeindepastor Jörg Fenske. Gruppen, die die Räume füllen, gibt es nicht mehr. Mieter zu finden war schwierig. 2003 zog das Klick-Kindermuseum in den Hauptteil des Kirchengebäudes.
Auch die vier Pastorate werden nicht mehr von den Seelsorgern der Gemeinde bewohnt. Der Grund ist jedoch nicht, dass es diese nicht mehr gibt. „Mit Jörg Fenske und Mathias Dahnke sind wir pastoral sehr gut aufgestellt“, so Meier. Es ist viel mehr die Hochspannungsleitung, die direkt über den Bungalows verläuft. Die Residenzpflicht wurde aufgehoben. In den Gebäuden befinden sich nun das Gemeindebüro, der Sintiverein und eine Kindergruppe. Das vierte steht leer.
Viertel im Umbruch
Dieser Stadtteil ist im Umbruch. Immer wieder in den vergangenen 50 Jahren. Man müsse sich das Leben hier wie eine Wellenbewegung vorstellen, sagt Meier. Menschen ziehen her, gelockt von günstigem Wohnraum, ziehen wieder weg. Neue Bewohner kommen.
Das prägte auch die Gemeinde. Etwas Neues machen, das könne man am Osdorfer Born gut. So auch jetzt wieder. Es stehen neben der Sanierung und Umgestaltung des denkmalgeschützten Kirchengebäudes und der Pastorate auch ein Neubau auf dem Gelände auf dem Plan. In ihm sollen nicht nur die Kita, sondern auch ein diakonisches Wohnprojekt und die Pastorate ihren Platz finden. „Wir wollen der Gemeinde wieder ein Gesicht geben“, erklärt Meier. Diese Visionen sind teuer. Knapp 20 Millionen Euro sollen die Maßnahmen kosten. Finanziert von Bund, Stadt, dem Kirchenkreis und der Gemeinde selbst.
Doch die starke diakonische Ausrichtig ist geblieben. Die Gemeinde betreut die Tafel, die mehr als 600 Haushalte versorgt. Immer wieder muss die Liste geschlossen werden, so groß ist der Bedarf. Kirche ist da, wo sie gebraucht wird. Damals wie heute.