Tübingen (epd). Schnuddelbuddel, Quasselkasper, Onkel Poppoff oder Tiger und Bär: Die Figuren des Schriftstellers und Illustrators Janosch sind seit Jahrzehnten aus keinem Kinderzimmer wegzudenken. Am 11. März wird Janosch, der eigentlich Horst Eckert heißt, 90 Jahre alt.
Sein Lebenswerk ist riesig: Janosch hat um die 330 Bücher geschrieben und illustriert, einige wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Seine Bücher und Zeichentrickfilme erreichten ein Millionenpublikum. Am bekanntesten ist zweifellos Janoschs Tigerente, die es in allen Variationen gibt – ob als Brotdose, Wärmflasche oder Nachtlicht.
Doch allein auf diese reduziert werden will der Künstler nach eigenen Angaben nicht. Ihn nur als Kinderbuchautor zu sehen, greift zu kurz: Janosch hat auch zahlreiche Romane für Erwachsene verfasst, in denen er sich mit Themen wie Religion und dem Sinn des Lebens beschäftigt und Ereignisse seiner Kindheit verarbeitet.
Janosch wurde am 11. März 1931 in einer Bergarbeitersiedlung im oberschlesischen Hindenburg, dem heutigen polnischen Zarbze, geboren. Nach dem Krieg kam er mit seinen Eltern nach Oldenburg, ging später an die Kunstakademie nach München, musste sein Studium aber wegen angeblich «mangelnder Begabung» nach einigen Probesemestern abbrechen.
1960 erschien das erste Kinderbuch mit dem Titel «Die Geschichte von Valek dem Pferd», 1970 sein erster Roman «Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm», in dem er Einblick in das einstige Oberschlesien gibt.
Mit «Oh, wie schön ist Panama» kam dann 1978 der Durchbruch: Wegen des unvergleichlichen Dufts einer Bananenkiste machen sich die Freunde Tiger und Bär mit ihrer Tigerente auf den Weg nach Panama, dem Ort ihrer Sehnsucht. Am Ende sind sie glücklich. Und merken nicht, dass sie wieder zu Hause gelandet sind. Das Werk wurde mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet.
Seine liebevoll gezeichneten und beschriebenen Figuren stehen mit ihrer positiven Einstellung für Freiheit und Fantasie, für Werte wie Freundschaft und Familie. Sie sind damit auch ein herber Kontrast zu seiner eigenen Kindheit, die er mal als «sein größtes Unglück» beschrieb.
«Er hat unendlich gelitten in der Kindheit, unter der Mutter, die fortwährend in die Kirche rannte, statt Antworten zu suchen, und unter seinem gewalttätigen Vater», sagt Ulrich Kypke, Vorstand der Janosch-Gesellschaft im schleswig-holsteinischen Kellinghusen. In seiner Kindheit sei die Kirche für den streng katholisch erzogenen
Janosch etwas Konkretes gewesen, an dem er den Zorn und Frust über seine Familie ausgelassen habe. Janosch ist heute im Beirat der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung, hat seine katholische Erziehung einmal als «das Schlimmste» bezeichnet, das ihm im Leben widerfahren sei.
Auch wenn er «wahrhaftig kein Christ» sei, sei er auch kein überzeugter Gegner von Religion – und im Alter in manchen Ansichten milder geworden, urteilt Kypke. Dies zeige sich auch darin, dass Janosch bereit gewesen sei, eine Sonderausgabe der Lutherbibel 2017 zu gestalten.
«Seine Ideen in Text und Illustration sind ein Universum von Gedanken, Ideen und Empfindungen», so beschreibt es Kypke. Zurzeit seien seine Bücher in Japan, China und Polen besonders gefragt, dort gebe es eine Janosch-Renaissance.
Der Künstler lebt seit mehr als 40 Jahren mit seiner Frau Ines zurückgezogen auf den Kanaren: «Oh wie schön ist Teneriffa», dachte sich Janosch wohl. Bis Ende 2019 ließ er wöchentlich im «Zeit»-Magazin von sich hören: Der schnauzbärtige Wondrak, der seinem schnauzbärtigen Erfinder mit den wasserblauen Augen wohl bewusst ähnlich sieht, beantwortete sechs Jahre lang die Fragen seiner Leserinnen und Leser.
«Herr Janosch, wie verhindert man Armut im Alter?» lautete beispielsweise eine Frage – «Wondrak hat frühzeitig das Altwerden aufgegeben. Armut in der Jugend ist wesentlich angenehmer. Dazu macht er Gymnastik», so die Antwort.
Vor einem Jahr schickte Janosch den Mann mit der getigerten Latzhose und den Pantoffeln dann in den Ruhestand. Zu seinem runden Geburtstag bringt der Reclam-Verlag mit Sitz in Ditzingen bei Stuttgart den Band «Wondrak für alle Lebenslagen» heraus, in dem eine Auswahl der Zeichnungen zu finden ist.
Seine Bilderbuch-Originalillustrationen hatte er 1999 als Dauerleihgabe dem Bilderbuch-Museum der Stadt Troisdorf bei Bonn überlassen. Dass sein künstlerisches Schaffen weit über bloße Buchillustrationen hinausgeht, wird ab dem 11. März – beziehungsweise dann, wenn Museen und Galerien wieder öffnen können – in der Jubiläumsausstellung der Galerie Art 28 in Tübingen zu sehen sein. Mehr als 400 Werke aus allen Schaffensperioden werden dort präsentiert – darunter auch Zeichnungen, Radierungen sowie Aquarell- und Acrylarbeiten, die nach Angaben von Art 28 noch nie öffentlich zu sehen waren.
Die Galerie, die den Künstler seit 2013 betreut, hat regelmäßigen Kontakt zu Janosch. Aus Altergründen werde das kreative Schaffen von Janosch immer weniger, sagt Kunsthistoriker Enrico Battaglia von Art 28. Ab und zu inspiriere ihn sein Leben oder das Tagesgeschehen dann doch mal wieder zu einer Wondrak-Skizze. Seit Anfang der 2000er Jahre habe er auch Landschaften auf Teneriffa und Blumenbouquets gezeichnet: «Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass Janosch zu alten Themen zurückkehrt oder auch mal wieder eine Tigerente malt.»