Asylverfahren machen einen Großteil der Verfahren beim Gießener Verwaltungsgericht aus. Bei den eingehenden Verfahren habe der Anteil der Asylverfahren im vergangenen Jahr bei rund 75 Prozent gelegen, sagte die Präsidentin des Verwaltungsgerichts, Sabine Dörr, am Montag bei einem Jahrespressegespräch in Gießen. Die Fallzahlen in klassischen Rechtsgebiete wie Bau- oder Kommunalrecht hätten abgenommen. Ein Grund sei, dass das Gießener Verwaltungsgericht seit Januar 2024 hessenweit allein zuständig ist für Verfahren aus nahezu allen Herkunftsländern von Asylbewerbern. Zehn Hauptherkunftsländer, darunter Afghanistan, Syrien und die Türkei, werden hingegen von allen erstinstanzlichen Verwaltungsgerichten in Hessen bearbeitet.
Die Zahl der Eingänge bei den Asylverfahren stieg bei dem Gießener Gericht von etwa 1.900 im Jahr 2023 auf 3.645 in 2024 an. Mit Guinea sei im vergangenen Jahr ein Land herausgestochen, bei dem im Gegensatz zu früher hunderte Verfahren eingegangen seien, berichtete die Präsidentin. „Das war bei uns deutlich spürbar.“ Deshalb habe man auch nicht so viele Verfahren aus dem Bestand abbauen können. Noch immer schiebe das Gericht einen „Berg“ an Verfahren vor sich her: So seien 2017 etwa doppelt so viele Verfahren beim Gericht eingegangen wie 2024.
Das Gericht stehe zusätzlich unter Druck, weil im kommenden Jahr das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) umgesetzt werden solle, „mit ganz kurzen Fristen“. Geplant seien Verfahrensdauern von sechs Monaten von der Antragstellung bis zur Entscheidung. Um diese sechs Monate schaffen zu können, müsste man personell „nachjustieren“, wie Dörr formulierte. Die Verwaltungsgerichte seien bisher personell nicht so stark unterstützt worden wie erhofft.
Durch die zahlreichen Asylverfahren dauerten teilweise auch die klassischen Verfahren länger. Auch hier habe es 2024 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg bei den eingehenden Verfahren gegeben. Einige der verhandelten Fälle hätten überregionales Interesse hervorgerufen, beispielsweise Klagen im Zusammenhang mit der Autobahn 49 oder um die Vergabe eines Bürgerhauses an die AfD.