Von Hartmut Ludwig
„Vergesst die Bibel nicht, auch sie ist jüdisches Geistesgut!“ Daran erinnerten kleine gelbe Zettel auf den leuchtend roten Plakaten mit schwarzer Schrift „Öffentliche Verbrennung“.Die Bücherverbrennung war 1933 eine reichsweite Aktion der Deutschen Studentenschaft in allen Hochschulorten. Sie wurde von Berlin aus zentral vorbereitet und gesteuert und sollte den Boykott jüdischer Geschäfte und Rechtsanwälte vom 1. April 1933 fortsetzen. Die Aktion begann am 13. April mit der Veröffentlichung der zwölf Thesen „Wider den undeutschen Geist“ und endete am 10. Mai mit der Bücherverbrennung. In der Zwischenzeit wurden jüdische Hochschullehrer boykottiert und entlassen. An „Schandpfählen“ wurden ihre Namen und Schriften geheftet. „Schwarze Listen“ mit den zu verbrennenden Büchern wurden erstellt. Private und öffentliche Bibliotheken wurden gestürmt und „gesäubert“.
„Wider den undeutschen Geist“
Die Bücherverbrennung am 10. Mai war nicht die einzige Aktion dieser Art. Von März bis Juli 1933 fanden in mehreren Orten Verbrennungen statt: In Berlin zum Beispiel am 15. März 1933 in der Künstlerkolonie in Wilmersdorf, auf vielen Schulhöfen und am 9. Juni durch den Verband der Drogisten am Anhalter Bahnhof.Vorbild war die Bücherverbrennung der Studenten auf der Wartburg am 18. Oktober 1817. Sie hatten Martin Luthers Thesenanschlag vor 300 Jahren zum Anlass genommen, um politische Freiheit und nationale Einheit zu fordern. 1933 war es umgekehrt: Mit der Aktion „Wider den undeutschen Geist“ forderten Studenten die Beseitigung jüdisch-marxistischen Geistes und die Durchsetzung der „nationalen Revolution“. Sie lehnten Freiheit und Demokratie, Kultur und Literatur ab. In den zwölf Thesen „Wider den deutschen Geist“ formulierten sie unter 4.: „Unser gefährlichster Widersacher ist der Jude und der, der ihm hörig ist. 5. Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter!“