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Verfassungsrechtlerin sieht Vergleiche mit 1933 als “Hysterie”

Die Verfassungsrechtlerin Gertrude Lübbe-Wolff hält die Demokratie in Deutschland für stabil genug, um Rechtsextremismus und Hass entgegenzutreten. „Wenn manche Leute meinen, die Lage sei wieder so wie kurz vor 1933, dann ist das wirklich Hysterie“, sagte die ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht und emeritierte Professorin für öffentliches Recht an der Universität Bielefeld der „Neuen Westfälischen“ (Montag). Zugleich müsse man sich aber Gedanken über „die erkennbaren Radikalisierungs- und Polarisierungstendenzen“ machen. Und niemand könne sicher wissen, „was los wäre, wenn jetzt zum Beispiel noch eine große ökonomische Krise hinzukäme“.

Dass sich im politischen Spektrum etwas verschiebe, sei in der Demokratie normal, sagte Lübbe-Wolff. „Ich mache mir nicht wirklich Sorgen, dass Rechtsstaat und Demokratie bei uns über die Wupper gehen und verfassungsfeindliche Pläne wie die von der millionenfachen Remigration realisiert werden“, erklärte sie. „Ich sehe nicht, dass es dafür Mehrheiten gäbe, vermutlich nicht einmal in der AfD.“ Zudem gebe es in der Verfassungsordnung starke Sicherungen, die längst nicht so einfach auszuhebeln seien wie in der Weimarer Zeit.

Risiken für die Demokratie sieht die Verfassungsrechtlern in der „zunehmenden Abschottung der verschiedenen politischen Milieus voneinander.“ Als Beispiele nannte sie eine zunehmende soziale Trennung von Wohngebieten und die „zunehmende soziale Sonderung in den Bildungseinrichtungen, vor allem in den Schulen“. Dieser sozialen Segregation müsse viel stärker entgegengewirkt werden, mahnte Lübbe-Wolff.

Die aktuellen Demonstrationen für Demokratie und Vielfalt finde sie gut, sagte die Verfassungsrechtlerin. Statt sie zu verstetigen, halte sie es jedoch für besser, „wenn mehr Zeit in Gemeinsamkeit mit Leuten gesteckt würde, die nicht eh schon alle einer Meinung sind“.