Abgeordnete beraten am Donnerstag einen Antrag für eine Liberalisierung der Abtreibungsregelung. Ärzte appellieren an die Abgeordneten, einer Reform nicht zuzustimmen. Auch verschiedene Verbände kritisieren den Vorstoß.
Verschiedene Ärzte und katholische Verbände haben sich gegen eine Reform der bisherigen Abtreibungsregelung ausgesprochen. Der interfraktionelle Antrag verletze sowohl die ärztliche Autonomie als auch die Menschenwürde des ungeborenen Lebens, erklären die Ärzte und Ärztinnen in einem am Mittwoch veröffentlichten Brief an Bundestagsabgeordnete. Sie appellieren an die Parlamentarier, der Reform nicht zuzustimmen, über die der Bundestag am Donnerstag erstmals debattiert. Katholische Verbände kritisieren den Entwurf ebenfalls.
Es könne von ihnen keine Maßnahme verlangt werden, “die wir nicht mit unserem Gewissen vereinbaren können”, heißt es zur Begründung im Brief der Ärzte. Ein Schwangerschaftsabbruch sei immer eine ärztliche Handlung zur Lebensbeendigung. Zudem sei mit einer Neuregelung die gesetzlich verankerte Unversehrtheit des ungeborenen Lebens nicht mehr gewährleistet.
Kern eines vor allem von Abgeordneten der SPD und der Grünen vorgelegten Reformentwurfs zur bisherigen Abtreibungsregelung ist, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche grundsätzlich rechtmäßig sind. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen bis zur Abtreibung. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs sollen künftig zudem von der Krankenkasse übernommen werden.
In Deutschland sind derzeit Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung. Bislang ist der offene Brief von 30 Ärztinnen und Ärzten unterzeichnet worden. Darunter sind nach eigenen Angaben auch Ärzte, die Abtreibungen vornehmen.
Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa erklärte, bei dem Vorstoß dränge sich die Frage auf, ob damit die Autonomie der Frau strafrechtlich als deutlich schützenswerter eingestuft werde als das Lebensrecht des Kindes. Es bleibe die Frage offen, ob nicht das bisherige Verfahren viel besser als das neue geeignet sei, die tatsächliche Freiheit der Entscheidung der Frau nachvollziehbar zu gewährleisten.
Weiter kritisierte Welskop-Deffaa, die von den Initiatorinnen des Antrags behaupteten Versorgungsengpässe aufgrund der derzeitigen Regelungen seien nicht überzeugend nachgewiesen. Die Versorgungslage sei geprägt durch die allgemein ungleiche regionale Verteilung gynäkologischer Praxen und geburtshilflicher Abteilungen in Krankenhäusern. Probleme bei der medizinischen Versorgung des ländlichen Raums könnten nicht dem Paragraphen 218 zugerechnet werden, so die Caritas-Präsidentin.
Welskop-Deffaa rief zudem zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte zu Abtreibungen auf. Eine schnelle Entscheidung über den Gesetzentwurf ohne vertiefte Prüfung in einem geordneten Anhörungsverfahren erscheine unmöglich. Ähnlich äußerte sich der Verband Donum Vitae.
Der Familienbund der Katholiken betonte, der Vorschlag der Abgeordnetengruppe gefährde das Gleichgewicht zwischen Selbstbestimmungsrecht der Frau und Schutz des ungeborenen Lebens. Ein dahinterstehendes verfassungsrechtliches Konzept eines abgestuften Lebens- und Würdeschutzes des Kindes widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und berge problematische Folgefragen etwa in der Reproduktionsmedizin. Auch die Christdemokraten für das Leben lehnen die Initiative ab.