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US-Truppen erobern vor 80 Jahren in Remagen die erste Rheinbrücke

Weil im März 1945 die Sprengung der Brücke bei Remagen misslang, konnten alliierte Truppen unerwartet schnell den Rhein überqueren. Für US-General Eisenhower war die Brücke ihr Gewicht in Gold wert.

Wie schwarz gewordene hohle Zahnstummel ragen sie in die Landschaft. Neben den vielen romantischen Burgen und Schlössern am Mittelrhein sehen die mächtigen Brückentürme an den beiden Rheinufern bei Remagen in der Nähe von Bonn ziemlich hässlich aus. Und doch sind die 22 Meter hohen Wehrtürme am Stromkilometer 633 historisch bedeutender und weltweit bekannter als so manches Glanzstück der Rheinromantik:

Sie trugen die weltberühmte Ludendorff-Brücke zwischen Remagen und Erpel, die am 7. März 1945, vor 80 Jahren, den amerikanischen Truppen als einzige von 40 deutschen Rheinbrücken unzerstört in die Hände fiel. Remagen steht damit für den ersten Rheinübergang der alliierten Truppen und den Anfang vom Ende des Krieges in Deutschland.

Während die Brückentürme auf der linken Rheinseite bei Remagen ein Friedensmuseum beherbergen, sind die Brückentürme auf der rechten Rheinseite bei Erpel marode und stehen leer. Derzeit scheint sich erstmals seit Jahren ein Zeitfenster für die lang ersehnte Sanierung der Türme zu öffnen: In den Kommunen im Umkreis wird darüber diskutiert, am historischen Ort eine neue Rheinbrücke zu bauen: entweder als Hängeseilbrücke nur für Fußgänger und Radfahrer, oder als Rekonstruktion der alten Brücke. Der Neubau könnte mit der Sanierung der Brückentürme auf beiden Seiten des Rheins einhergehen, so die Idee. Das Kernproblem: die Kosten von mindestens 22 Millionen Euro.

Im März 1945 war es den amerikanischen Soldaten, die zuvor im Hürtgenwald in der Eifel harte Kämpfe zu bestehen hatten, zu ihrer eigenen Überraschung im Handstreich gelungen, die Eisenbahnüberquerung unzerstört in die Hände zu bekommen. Deutsche Soldaten hatten vergeblich versucht, die riesige, im Ersten Weltkrieg fertig gestellte, 325 Meter lange und 4.600 Tonnen schwere Stahlkonstruktion zu sprengen. Die Zündanlage versagte; zudem war der eigentlich dafür vorgesehene Sprengstoff in den Tagen zuvor nach Köln abtransportiert worden. Eine Notsprengung hob die Brücke lediglich kurz aus ihren Verankerungen.

Die Brücke sei ihr Gewicht in Gold wert, schwärmte der amerikanische General Dwight D. Eisenhower. Deutsche Kampftaucher und Bomber versuchten vergeblich, die Stahlkonstruktion zu zerstören. Innerhalb von 24 Stunden standen bereits 8.000 US-Soldaten auf der Ostseite des Rheins; in Windeseile wurde zudem eine Pontonbrücke errichtet. Tag und Nacht rollten Nachschubkolonnen über die Brücke, bis sie am 17. März einstürzte und mindestens 28 US-Soldaten mit in den Tod riss.

Wurde der Krieg mit der Einnahme der Brücke um Wochen verkürzt? Darüber gibt es verschiedene Ansichten. Kriegsentscheidend war sie nicht: Für einen schnellen alliierten Massen-Vorstoß tief hinein ins Herz des Deutschen Reichs war das unwegsame Siebengebirge ungeeignet. Das gelang den Alliierten erst Ende März nach der Flussquerung am Niederrhein bei Wesel. 1968 wurden die dramatischen Ereignisse bei Remagen verfilmt. In die Dreharbeiten in der Tschechoslowakei platzte der Einmarsch von Ostblock-Truppen zur Beendigung des Prager Frühlings. Der Film wurde in Hamburg fertig gedreht.

Vor Ort bleibt die Erinnerung lebendig: Seit 2006 hat die Landesbühne Rheinland-Pfalz im sich an die Brücke anschließenden, 333 Meter langen Eisenbahntunnel mehrfach Theaterstücke zum Zweiten Weltkrieg inszeniert: Wolfgang Borcherts Heimkehrerstück “Draußen vor der Tür” und vor allem “Die Brücke”, ein Schauspiel über das Schicksal der deutschen Soldaten und Zivilisten, die im Tunnel Schutz suchten.

Etwa 15.000 Besucher aus 38 Nationen haben im vergangenen Jahr das Friedensmuseum besucht, das die Stadt Remagen 1980 in den beiden Turmstümpfen auf der linken Rheinseite einrichtete – darunter viele Kriegsveteranen aus den USA. Zum Jubiläumsjahr erwartet der Trägerverein, der das Museum zuletzt nach eigenen Angaben finanziell und organisatorisch wieder funktionstüchtig gemacht hat, starkes öffentliches Interesse.

Doch das Friedensmuseum ist nicht die einzige Gedenkstätte auf dem rund drei Quadratkilometer großen Gelände, das wegen seines Lehmbodens auch “goldene Meile” genannt wird. Wenige hundert Meter von der Brücke entfernt erinnert eine 1987 eingeweihte Gnadenkapelle an das Gefangenenlager, das die Amerikaner auf den Rheinwiesen errichteten. In Erdlöchern und dürftigen Zelten hausten bis zum Spätsommer 1945 bis zu 260.000 deutsche Soldaten, insgesamt bis zu 1,5 Millionen Männer. Eine Kartoffel, ein Keks, ein Löffel Gemüse und etwas gechlortes Rheinwasser – das war ihre Tagesration. Rund 1.200 starben an Unterernährung und Krankheiten.

Gekrönt wird die Kapelle von einem Dornenkranz, der auch an die Stacheldrahtumzäunung erinnert. Wind und Regen können durch die offene Zeltkonstruktion hindurchfegen wie im Frühjahr 1945 durch das Lager. Mittelpunkt der Kapelle ist eine aus dem Lehm des Lagers hergestellte “Schwarze Madonna”, die der Essener Bildhauer Adolf Wamper während seiner Gefangenschaft gestaltete. Das Leitmotiv für die Gedenkstätte findet sich in der Friedenshalle des Museums: “Lasst uns jeden Tag mit Herz und Verstand für den Frieden arbeiten. Beginne jeder bei sich selbst.”