Artikel teilen:

Unterzeichnung von EU-Mercosur-Abkommen auf der Kippe

Seit mehr als 20 Jahren verhandelt die EU mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay über ein Handelsabkommen. Obwohl eine geplante Unterzeichnung auf dem Mercosur-Gipfel am Donnerstag in Rio de Janeiro zuletzt zunehmend unwahrscheinlich schien, will die EU den Abschluss des Abkommens nicht ausschließen.

Was ist das EU-Mercosur-Abkommen?

Das Freihandelsabkommen der EU mit den vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay soll eine der größten Freihandelszonen der Welt schaffen. Erste Verhandlungen begannen im Jahr 2000. 2019 einigten sich die EU und die Mercosur-Staaten auf ein Handelsabkommen, das unter anderem Zölle abbauen, Rechte des geistigen Eigentums regeln und den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten erleichtern soll. Eine Ratifizierung des Vertrages kam allerdings nicht zustande.

Was sind die Positionen der Beteiligten?

Brasilien hatte sich eine Unterzeichnung des Abkommens zum Ziel gesetzt, solange das Land die Präsidentschaft der Mercosur-Gruppe noch innehat. Der brasilianische Vorsitz endet mit dem Gipfel am Donnerstag. Eine Lösung der stockenden Verhandlungen hatte sich zuletzt nicht abgezeichnet. Noch am Dienstagabend schrieb aber der EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis nach einem Telefonat mit dem brasilianischen Handelsminister auf X, ehemals Twitter, es bestehe nach wie vor Einigkeit darüber, dass das Abkommen so bald wie möglich abgeschlossen werden solle.

Zuvor hatte ein Kommissionssprecher Medienberichte relativiert, laut denen Dombrovskis eine geplante Reise zum Mercosur-Gipfel in Rio abgesagt habe. Der EU-Kommissar sei weiterhin bereit, an dem Gipfel teilzunehmen, sollte ein politischer Durchbruch erzielt werden, sagte der Sprecher. Die deutsche Bundesregierung strebt ebenfalls einen zeitnahen Abschluss des Vertrages an. „Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, dass das Abkommen nun zügig finalisiert wird“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag nach einem Treffen mit dem brasilianischen Präsidenten Lula da Silva in Berlin.

Welche Länder blockieren das Abkommen?

Fortschritte in den Verhandlungen waren von europäischer Seite zuletzt vor allem an den Bedenken der französischen Regierung gescheitert. Präsident Emmanuel Macron hatte wiederholt geäußert, dass die Verhandlungen zu Kompromissen im Bereich Umweltschutz geführt hätten, die er nicht vertreten könne. Es sei französischen Landwirten und Unternehmern nicht zuzumuten, dass die an sie gestellten hohen Umweltansprüche nicht gleichsam für Produzenten aus Lateinamerika gelten sollten.

In der Mercosur-Gruppe macht der Regierungswechsel in Argentinien einen Abschluss des Vertrages indes kompliziert. Der scheidende Präsident Alberto Fernández und seine Regierung hatten eine schnelle Unterzeichnung zuletzt abgelehnt. Am Sonntag tritt Javier Milei sein Amt als neuer Präsident Argentiniens an. Ihm will Fernández die finale Entscheidung über die argentinische Zustimmung überlassen.

Was sagen zivilgesellschaftliche Organisationen?

Greenpeace warnte unter anderem, ein Freihandelsabkommen könne den Handel mit Wegwerfplastik steigern. Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha sprach von einer „himmelschreienden Doppelmoral der EU“ und forderte, das Abkommen neu zu verhandeln. Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ kritisierte zudem, der Vertrag sichere der EU nicht nur ihren technologischen Vorsprung, sondern blockiere auch eine nachhaltige Entwicklung in den Mercosur-Ländern. Ökonomen wie die Wirtschaftsweise Veronika Grimm haben dagegen gefordert, das Abkommen umzusetzen. Wenn die EU keine engeren Handelsbeziehungen mit den Mercosur-Staaten eingehe, werde China die entstehende Lücke füllen, warnte Grimm.