Die Union hat im Bundestag eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik vorgeschlagen – mit Erfolg. Nach der Abstimmung sorgte dies für Empörung und eine Sitzungsunterbrechung.
Der Bundestag hat einem Antrag der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik mit knapper Mehrheit zugestimmt. In namentlicher Abstimmung votierten am Mittwoch 348 Abgeordnete für den sogenannten “Fünf-Punkte-Plan” von CDU/CSU und 345 dagegen, 10 Abgeordnete enthielten sich. Ein zweiter Antrag der Union mit insgesamt 27 Forderungen zur inneren Sicherheit fand hingegen keine Mehrheit.
Unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor davor gewarnt, Anträge nur mit Stimmen der AfD durchzubringen. SPD, Grüne und Linke hatten den Vorstoß der Union im Vorfeld bereits abgelehnt. Ohne Stimmen der AfD wäre somit keine Mehrheit möglich gewesen.
In dem Antrag hatte sich die Union für dauerhafte Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen ausgesprochen – auch für Schutzsuchende. Gefordert wurden zudem ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne gültige Papiere sowie Abschiebehaft für Ausreisepflichtige und mehr Abschiebungen. Eine direkte rechtliche Bindung entfaltet der Antrag anders als ein Gesetzentwurf nicht.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses von einer Zäsur. Die Union sei mit ihrem Vorstoß aus der politischen Mitte des Bundestags ausgebrochen. Mützenich versprach, dass die Sozialdemokraten sich nicht aus der Verantwortung verabschieden und die Demokratie nicht im Stich lassen würden.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sprach von einem “historischen Tag, und zwar im negativen Sinne”. Zum ersten Mal seien “vor dem Hintergrund unserer Geschichte Mehrheiten gesucht und billigend in Kauf genommen worden jenseits der demokratischen Mitte”. Auf Antrag von SPD und Grünen wurde die Sitzung zunächst unterbrochen.
CDU-Fraktionschef Friedrich Merz verteidigte sein Vorgehen. Er suche im Bundestag “keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments”. Er warb erneut für eine Zustimmung von SPD und Grünen für einen Gesetzentwurf zur Migrationspolitik, über den am Freitag abgestimmt werden soll.
Merz hatte in der Debatte gesagt, wenn Mitgefühl und Anteilnahme nach Anschlägen wie in Magdeburg oder Aschaffenburg ernst gemeint sein sollten, dann müssten “jetzt endlich wirksame Entscheidungen gegen den Zustrom illegaler Flüchtlinge und gegen den illegalen Aufenthalt der Flüchtlinge in Deutschland getroffen werden”.
Scholz hatte zuvor gesagt, dass die Anschläge und Angriffe der vergangenen Monate in Mannheim, Solingen, Magdeburg und zuletzt in Aschaffenburg mit geltendem Recht hätten verhindert werden können. Auch beim tödlichen Messerangriff auf eine Kita-Gruppe im bayerischen Aschaffenburg in der vergangenen Woche sei der Täter wieder jemand gewesen, der den Schutz Deutschlands missbraucht habe und gar nicht mehr im Land oder auf freiem Fuß hätte sein sollen, sagte Scholz in seiner Regierungserklärung.
Er verstehe jeden, der sage, ihm reiche es. Auch er sage: “Es reicht. Auch ich bin empört”, so Scholz, der von einem Vollzugsdefizit sprach. Er erwarte, dass Gesetze überall konsequent angewendet würden. Nötig seien etwa mehr Abschiebehaftplätze in den Ländern. Abschiebungen müssten auch durchgesetzt werden. Die Unionsvorschläge nannte der Kanzler “Scheinlösungen”, die von Gerichten sofort wieder kassiert würden.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) warf der Union vor, Recht brechen zu wollen, um Recht zu verändern. “Das ist der steile Weg in den Abgrund. Diesen Weg sollten wir nicht gehen.” Habeck sprach von einem “Schicksalstag” und von einem “Bruch mit der Tradition dieser Republik” angesichts eines drohenden Bündnisses mit “den Rechtspopulisten hier im Parlament”.
FDP-Chef Christian Lindner sagte, der Staat versage zu oft dabei, für Sicherheit zu sorgen. “Das Gefühl, sicher in unserem Land aufgehoben zu sein, ist vielfach verloren gegangen.” Lindner hatte für eine breite Zustimmung zu den Anträgen der Union geworben: “Es ist im Interesse der Stabilität unserer Demokratie, die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu respektieren. Denn wenn die Demokratie hier nicht liefert, dann suchen sich die Menschen im Zweifel eine autoritäre Alternative zur Demokratie, und dazu darf es nicht kommen.”
Am Freitag soll der Bundestag über den Entwurf der Union für ein sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz entscheiden. Es sieht unter anderem eine Begrenzung des Zuzugs nach Deutschland vor. Zudem soll der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten beendet werden. Subsidiärer Schutz greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. SPD, Grüne und Linke wollen auch den Gesetzentwurf ablehnen. Mit den Stimmen der AfD könnte es dennoch erneut eine Mehrheit geben.