Berlin – In der Diskussion über den Umgang mit Kinderehen in Deutschland strebt das Bundesjustizministerium eine grundsätzliche Bestandsaufnahme an. „Bisher gibt es immer noch keine bundesweiten Zahlen, über wie viele Fälle wir sprechen“, sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums in Berlin. Eine Datenerhebung sei jedoch nötig, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Schätzungen gehen von 1000 Fällen aus, in denen mindestens eine Person eines Ehepaares höchstens 18 Jahre alt ist.
Unionspolitiker hatten zuvor auf ein Vorgehen gegen sogenannte Kinderehen in Deutschland gedrungen. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Stephan Harbarth (CDU) forderte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zur Vorlage eines Gesetzentwurfes auf. Maas kündigte hingegen zunächst eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe an, die sich ab dem 5. September mit Kinderehen in Deutschland befassen soll.
Der Deutsche Kinderschutzbund hatte zuvor ein striktes Mindestheiratsalter von 18 Jahren gefordert. „Die Regierung sollte die Ausnahmeregelung im Bürgerlichen Gesetzbuch abschaffen, um die Ehemündigkeit konsequent auf 18 Jahre festzusetzen“, zitiert die „Welt am Sonntag“ dessen Präsidenten Heinz Hilgers. Auch die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, kann sich dem Zeitungsbericht zufolge „eine generelle Anhebung des Mindestalters für beide Ehepartner auf 18 Jahre gut vorstellen“. Ausnahmeregelungen sollten fallen: „Kinderehen gehören nicht in unsere Gesellschaft.“
Myria Böhmecke von der Organisation „Terre des Femmes“ sagte, bis Ende April hätten die Behörden allein in Bayern 550 verheiratete Asylsuchende unter 18 Jahren registriert. Nach Angaben des bayerischen Sozialministeriums seien 161 Eheleute sogar unter 16 Jahre alt gewesen. Sie verlangte, dass Ehen von Minderjährigen, die im Ausland geschlossen wurden, nicht mehr anerkannt werden.
Der Sprecher des Bundesjustizministeriums betonte, es sei wichtig zu wissen, wie viele Ehen konkret betroffen und vor allem wie alt die Eheleute seien. Würde sich herausstellen, dass die Betroffenen in der Regel 16 bis 17 Jahre alt seien, könne man kaum von Kinderehen sprechen. „Denn 16- oder 17-Jährige können genauso gut hier in Deutschland heiraten“, führte der Sprecher aus. Voraussetzung dafür sei eine Erlaubnis vom Familiengericht, das die charakterliche Reife der noch Minderjährigen überprüft und ergründet, ob sie die Konsequenzen dieser Entscheidung absehen könnten.
Im Ausland geschlossene Ehen dürfen in Deutschland nicht anerkannt werden, wenn sie offensichtlich gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts verstoßen. Das sei etwa bei Zwangsehen oder bei jungen Kindern der Fall, sagte der Sprecher. epd/UK
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