Der Mechanismus, dass sich eine Gesellschaft gegen einen gemeinsamen Feind vereint, funktioniert in Israel offenbar nicht. Das zeigt eine neue Erhebung, genau ein halbes Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs.
Die israelische Gesellschaft ist einer neuen statistischen Erhebung zufolge gespaltener denn je. Die anfängliche Einigung und Solidarität nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas vom 7. Oktober hat die Gräben und die Feindseligkeiten zwischen ultra-orthodoxen und säkularen Juden sowie zwischen Anhängern des rechten und des linken politischen Lagers nicht geschlossen, wie aus dem jetzt vorgestellten “Israeli Democracy Index 2023” hervorgeht. Der Slogan “Gemeinsam werden wir siegen” habe offensichtlich nur eine vorübergehende Überbrückungswirkung auf die internen Spaltungen gehabt, so die Autoren laut israelischen Medienberichten (Sonntag).
Insgesamt gesunken ist demnach das Vertrauen in die Regierung. Es lag im Juni 2023 bei Anhängern der politischen Rechten bei 43 Prozent und denen der Linken bei 3 Prozent; im Dezember sank es auf 35,5 beziehungsweise auf 2 Prozent. Deutlicher war der Einbruch beim Vertrauen in die Medien und in den Obersten Gerichtshof; die umstrittene Justizreform, die schließlich in Teilen gestoppt wurde, hatte breite Proteste ausgelöst.
Während das Vertrauen in das Gericht im untersuchten Zeitraum bei den Rechten von 26 auf 21 Prozent gesunken war, stieg es in der israelischen Mitte von 63 auf 67 Prozent und bei der Linken von 80 auf 88 Prozent. Bei orthodoxen Juden betrug das Vertrauen gerade noch 2 Prozent (11 Prozent im Juni), bei säkularen Juden blieb es fast unverändert bei 67 Prozent. Ähnlich das Bild vom Vertrauen in die Medien: Bei der Linken stieg es zum Jahresende von 48 auf 63 Prozent und bleib bei der Rechten konstant bei 15 Prozent.
Unterschiedlich sind die Prioritäten der Israelis zu den Zielen des Gaza-Kriegs, also ob die Befreiung der Geiseln oder der Sieg über die Hamas Vorrang haben soll. Bei der Linken wollen 80 Prozent zunächst die Befreiung der Geiseln und 16 Prozent den Sieg über die Hamas, im politischen Zentrum sind es 63 zu 25, und bei der Rechten rangiert die Ausschaltung der Hamas mit 57 Prozent deutlich vor der Geiselbefreiung (33 Prozent).
Mit Blick auf die Religionsgruppen steht für die Ultra-Orthodoxen der militärische Sieg (58 Prozent) vor dem Geiselschicksal (26 Prozent), bei den religiösen Zionisten ist der Unterschied mit 65,5 zu 21,5 Prozent noch eklatanter, während es bei den säkularen Juden fast umgekehrt ist: 61 Prozent favorisieren die Geiselbefreiung, 31 Prozent den Sieg über die Hamas.