Die Görlitzer nennen es ein Wunder, und tatsächlich hat es etwas Märchenhaftes: 21 Mal hat Deutschlands östlichste Stadt von einem anonymen Spender jeweils mehr als eine halbe Million Euro für die Sanierung ihrer Altstadt erhalten. Mit den Geldern konnten zahlreiche Bauprojekte angestoßen werden, insgesamt rund 1200 Denkmäler erhielten Förderungen. Eine Ausstellung im Kaisertrutz der sächsischen Stadt mit dem Titel „Das Wunder der Görlitzer Altstadtmillion“ stellt jetzt einige der sanierten Denkmäler vor.
Die Exponate, Videos und Hörstationen erzählen Geschichten von der Sanierung und Wiederbelebung der historischen Altstadt, der Nikolaivorstadt und des Gründerzeitviertels. Zugleich werde versucht, dem bis heute anonymen Spender etwas näherzukommen, sagt Kurator Matthias Franke. Dazu sind Görlitzer Handwerker, Restauratoren, Eigentümer und Nutzer befragt worden, wie sie sich den Mäzen vorstellen und welche Intention sie hinter dem ungewöhnlichen Engagement vermuten.
Für einige stehe fest, dass es nur eine Frau sein könne, die so selbstlos agiert, berichtet Franke mit einem Augenzwinkern. Viele vermuteten hinter dem Unbekannten jemanden, der früher einmal in Görlitz gelebt hat, vielleicht als Kind oder Jugendlicher.
Wer hinter der großzügigen Spende steht, bleibt ein wohlgehütetes Geheimnis. Der Geldgeber hatte das zur Bedingung gemacht. Auch bei seinen Recherchen für die Ausstellung habe er kein Indiz gefunden, das auf den Spender schließen lässt, sagt Franke. Eine Spur der „Bild“-Zeitung, die hinter der Görlitzer „Altstadtmillion“ den Schokoladenerben Thomas Sprengel vermutete, wurde nicht weiterverfolgt. Die Stadt habe auch nie ein besonders Interesse daran gezeigt, den Namen herauszufinden. Zu groß sei die Sorge gewesen, die Gelder würden danach ausbleiben.
Im April 2016 ging dann tatsächlich die letzte Zahlung von 340 000 Euro in Görlitz ein. Zuvor hatte der Stifter der Stadt an der Neiße jährlich zunächst eine Million D-Mark, später 511 500 Euro überwiesen. Manche vermuten, dass der oder die Unbekannte gestorben sei, genau weiß das keiner. Für Franke sind die Zuwendungen eine Schenkung. Der Stifter habe keinerlei Vergünstigungen dafür erhalten, eine Spendenquittung etwa wurde nie ausgestellt.
Die Ausstellung sei „ein großes Dankeschön“ der Stadt an eine unbekannte Person, sagt Franke. Vorgestellt werden 19 geförderte Denkmäler. Mit Modellen, historischen Aufnahmen und aktuellen Detailfotos sowie Fundstücken aus den Denkmälern werde das „Wunder“ sichtbar gemacht. Zahlreiche Bürger- und Jugendstilhäuser, mehrere Kirchen konnten saniert werden. Das Kuratorium der für die Gelder eigens eingerichteten Altstadtstiftung entschied über die Vergabe. Etwa 60 bis 80 Maßnahmen wurden jedes Jahr bewilligt.
In der Ausstellung ist auch der Überweisungsträger mit der Gutschrift der ersten Altstadtmillion vom 12. Oktober 1995 zu sehen. Gleich mit der ersten Überweisung war die Auflage verbunden, eine Stiftung zu gründen. Das Geld für die Kulturbauten wurde fortan jährlich von einer Münchner Kanzlei nach Görlitz überwiesen.
Gefördert wurden unter anderem der Schönhof, das heutige Schlesische Museum, die Frauenkirche, die Lukaskirche und die 1298 erstmals erwähnte Nikolaikirche, deren zwei restaurierte Figuren des Westportals in der Ausstellung präsentiert werden. Auch der Nikolaifriedhof profitierte von der Altstadtstiftung. Mehrfach unterstützt wurde der Erhalt des Landschaftsgartens Heiliges Grab sowie die Sanierung der ehemaligen Görlitzer Synagoge.
Als Dankeschön gibt es auch Blumen in der Ausstellung, auf Papier, bunt und groß an den Wänden. Die Altstadtstiftung wird auch nach Ausbleiben der jährlichen Zahlung noch eine Weile bestehen bleiben, bis der letzte Euro des Mäzens ausgegeben ist. Die Spuren des Stifters lassen sich in Görlitz schon jetzt gut verfolgen: Ein großer Teil der geförderten Objekte wurde mit einer eigens dafür entworfenen Plakette gekennzeichnet.
Die Ausstellung ist bis 31. Oktober in Görlitz täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr zu sehen, freitags bis 20 Uhr. Internet: www.museum-goerlitz.de.