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Über das Flüchtlingselend die Not anderer nicht vergessen

Uwe Becker erweist sich bei seiner Verabschiedung als Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe in der Düsseldorfer Melanchthonkirche einmal mehr als mahnender „Botschafter der Diakonie“

DÜSSELDORF – Mit einem Gottesdienst in der Düsseldorfer Melanch­thonkirche ist Uwe Becker als Vorstand und Vorstandssprecher der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) verabschiedet worden. Der 56-jährige Kölner Theologe und Sozialexperte übernimmt nach elfjähriger Verbandsarbeit in der Diakonie – seit 2008 als Vorstand des Spitzenverbands – eine Professur für Diakoniewissenschaft, Sozial­ethik und Verbändeforschung an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum (Kommentar Seite 5).
Vertreter von Kirche, Diakonie, Verbänden und Politik würdigten Becker als wichtigen sozialpolitischen Impulsgeber. Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, nannte Becker einen „Botschafter der Diakonie“ und Mahner und dankte ihm für sein engagiertes Eintreten für die Schwachen. Maria Loheide vom Vorstand der Bundesdiakonie in Berlin verband ihren Dank an Becker als gefragten Ratgeber für „so manchen sozialpolitischen Impuls“ mit der Erwartung auf weitere Impulse durch seine künftige wissenschaftliche Arbeit an der EFH.
Dass seine Stimme auch über die Diakonie hinaus gehört wird, wie der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Diakonie RWL Jürgen Dittrich betonte, bestätigte der Arbeits- und Sozialminister NRW Guntram Schneider mit seinem Grußwort. Schneider: „Mit ihm hatte die Diakonie RWL einen engagierten Kämpfer für die gute Sache an ihrer Spitze, sei es beim Thema Armut, sozialer Arbeitsmarkt oder Inklusion.“
Ludger Jutkeit, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW, bezeichnete Becker als einen „profilierten Analytiker der gesellschaftlichen Entwicklung“.
Gewohnt pointiert warnte Becker in seiner Predigt an die eigene Adresse gerichtet vor der Gefahr einer „ökonomischen Vereinnahmung“ und der Anbiederung an die Politik in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs. Bei allem gebotenen Bemühen auch auf Spitzenverbandsebene, Kirche und Dia­konie in ruhigere Fahrwasser zu führen, dürfe der kirchliche Auftrag nicht auf der Strecke bleiben. Becker: „Wenn Kirche und Diakonie ihre Mission verlieren und sich nicht politisch auf den Weg machen, dann werden sie nicht nur blass, profillos, unpolitisch, sondern dann bleibt auch die Frage, ob die Verheißung erlischt: ,Was ihr diesen meinen geringsten Brüdern und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.‘“
Als politisch deutlich anzuprangernde Missstände nannte Becker insbesondere das Flüchtlingselend, das, so legen seine Worte nahe, auch eine Folge der europäi­schen Abschottungspolitik ist und sich weiter verschärfen wird durch das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA, in seinen Augen Schöngerede einer „imperialistischen gnadenlosen Politik“. Kirche und Diakonie forderte er auf, die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Ursachen der Flüchtlingslage „lautstark an den Pranger zu stellen und kategorisch zu bekämpfen“.
Der tausendfache Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer habe die Europäer abstumpfen lassen und werde zur „unheimlichen Routine“, beklagte Becker. „Die Humanität wird im Mittelmeer zu Grabe getragen“, sagte er weiter in seiner Predigt.
Einen Missstand nannte der Sozialexperte es aber auch, „dass gegenwärtig die Kultur der Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen, und die ist mehr als zu begrüßen, einseitig fokussiert, das Leid anderer zu übersehen droht“. Becker nannte den Rückgang des Spendenaufkommens für Obdachlosen- und Arbeitslosenprojekte. Als besonders anzuprangernden Missstand nannte Becker auch die Altersarmut. Becker: „Wenn in Berlin die ,schwarze Null‘ gefeiert wird, während die Zahl der nach Pfandflaschen suchenden Rentner an öffentlichen Mülltonnen steigt, stimmt auch hier schon lange etwas nicht mehr.“ uhe