Donald Trumps triumphaler Wiedereinzug ins Weiße Haus ist für seine christlichen Wähler mehr als politischer Auftrag. Viele sehen in Trump einen von Gott Auserwählten, der die USA als bibelfeste Nation wieder aufbaut.
Jason Rapert scheut sich nicht vor biblischen Vergleichen. Donald Trumps Sieg sei so etwas wie der “Rote-Meer-Moment”, sagte der Präsident der National Association of Christian Lawmakers in der Wahlnacht. Die Organisation arbeitet seit Jahren daran, christlichen Einfluss auf die US-Regierung zu nehmen. Laut dem Buch Exodus im Alten Testament teilte Gott das Meer und Moses führte das Volk Israel in die Freiheit. Geht es nach Rapert, fällt Trump nun eine ähnliche Aufgabe zu: die Rettung Amerikas.
In diesem Sinne äußerte sich auch Jim Caviezel. Der Schauspieler, der Jesus in Mel Gibsons “Die Passion Christi” spielte, bezeichnete den künftigen US-Präsidenten als “neuen Moses”. Nur zwei von zahlreichen Verklärungen eines Mannes, der in der Vergangenheit wenig christlich auftrat.
Das gescheiterte Attentat auf Trump vom Juli, bei dem eine Kugel sein Ohr streifte, gilt unter etlichen frommen Anhängern als göttliche Intervention. “Ich glaube, dass Gott seinen Kopf drehte und sein Leben rettete”, meint Franklin Graham, einer der bekanntesten Evangelikalen der USA. Daraus leiten Trump-Unterstützer eine Art göttliche Mission für den 47. Präsidenten ab.
Trumps Heiligenschein glänzt also heller als je zuvor. Das war nicht immer so. Noch zu Beginn seiner ersten Amtszeit schlug ihm große Skepsis unter konservativen US-Christen entgegen. Seine mitunter sexistischen, diskriminierenden und nationalistischen Töne passten nicht zu christlichen Werten.
Trump überzeugte die Skeptiker mit der Einlösung des Versprechens, das Oberste Gericht mit Abtreibungsgegnern zu besetzen. Er berief gleich drei Richter an den Supreme Court. Und die setzten um, was für die christliche Rechte seit Jahrzehnten höchste Priorität hatte: 2022 urteilte das Gericht, dass aus der US-Verfassung kein landesweit gültiges Recht auf Abtreibung abgeleitet werden kann.
Heute ist Trump in dieser Wählergruppe nahezu unumstritten. Laut Nachwahl-Befragungen stimmten 72 Prozent der weißen Evangelikalen und 55 Prozent der weißen Katholiken für ihn. Protestantische Latinos, die knapp ein Viertel aller US-Latinos stellen, stehen ebenfalls mehrheitlich hinter den Werten des christlichen Nationalismus.
Faktisch sei Trump jetzt die “Galionsfigur des konservativen amerikanischen Christentums”, schrieb die “New York Times”. Niemand könne es mit der Befehlsgewalt der christlichen Konservativen aufnehmen. Die Wahlen bescherten Trump neben dem Weißen Haus auch die Kontrolle über den Kongress. Die Mehrheit ist nicht groß genug, um umfassend durchzuregieren, aber doch ausreichend, um wichtige Anliegen durchzusetzen.
Dank Trumps Neubesetzung des Supreme Court in der ersten Amtszeit hat er dort überdies eine solide und auf Jahre ungefährdete konservative Mehrheit, die bereit scheint, religiöse Rechtsauffassungen weiter zu stärken.
Dafür sollen auch christliche Nationalisten im Kabinett sorgen, die Schlüsselpositionen besetzen. Stark vertreten sind rechtskatholische Kandidaten. Sie ziehen politisch am selben Strang wie konservative Evangelikale.
Für Lance Wallnau, TV-Prediger und Trump-Einflüsterer, kommt das einer “Reformation Amerikas” gleich. Er vertritt die sogenannte Sieben-Berge-Strategie, die christliche Führung in allen staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen anstrebt. Trumps Sieg sei erst der Anfang. “Es geht gerade erst los”, sagt Wallnau.
Der gemeinsame Nenner zwischen den religiösen Wählern und dem wenig frommen Präsidenten ist das gemeinsame Empfinden, Opfer eines allzu liberalen Amerika zu sein. Die christliche Rechte beruft sich dabei auf Erfahrungen während der Pandemie, als Kirchen ihre Pforten schließen mussten, während Schnellrestaurants wie McDonald’s öffnen durften. Aus ihrer Sicht war das eine krasse Form des Diskriminierung.
Trumps Wahlkampf-Botschaft an die US-Christen sei eine Mischung aus Trauer, Verlust und Nostalgie gewesen, sagt Experte Robert Jones, Chef des Public Religion Research Institute. In Zeiten stetig sinkender kirchlicher Mitgliederzahlen habe Trump ihnen versprochen: “Wenn Sie mich wählen, werde ich den christlichen Kirchen ihre Macht zurückgeben.”