Neulich fragte jemand: „Kann ich noch guten Gewissens Weihnachten feiern? Es brennt und knallt an allen Ecken, der Planet fackelt buchstäblich ab – darf ich da heile Welt spielen?“ Das ist das Problem an Weihnachten: Alle wollen es feiern. Aber kaum jemand weiß, worum es geht.
Weihnachten ist nicht heile Welt. Man kann diese Botschaft gar nicht laut genug in die Gehirnwäsche hineinrufen, die seit Ende November in süßlicher Dauerberieselung durch Radio, TV und Internet, auf Weihnachtsmärkten und Betriebsfeiern ins Gemüt der Menschen hineinbläst und sie auf „sentimental“ umprogrammiert: Nicht. Heile. Welt.
Nichts ist heil in der Weihnachtsgeschichte
Wer sich auch nur ganz kurz das erste Weihnachtsfest anschaut, wird das sofort verstehen. Allerdings muss man die Originalversion nehmen. Nicht eine der unzähligen Neufassungen. Die sind in der Regel gnadenlos aufgehübscht. Originalversion geht so: Maria, eine hochschwangere Frau in prekären Verhältnissen, unterwegs mit ihrem Lebensgefährten. Der, Josef, hadert, ob er überhaupt der Vater des Kindes ist. Zwangsübernachtung in einem Viehstall, eine andere Unterkunft finden die beiden nicht. Und ausgerechnet in dieser Nacht kommt das Baby zur Welt – notgedrungen wird das Neugeborene in einen Futtertrog gebettet. Was ist daran heile Welt?
Das Neue Testament, also der Teil der Bibel, in dem die Weihnachtserzählung steht, ist voll von dem Gedanken: Die Welt ist alles andere als heil. Sie braucht Heilung. Denn sie ist kaputt.
Mit der Geburt Jesu kommt das Heil in die Welt
Wie konnte dann ausgerechnet Weihnachten zum Heile-Welt-Fest werden? Antwort: Weil in diesem Missverständnis eben doch ein Fünkchen Wahrheit steckt.
Denn die Botschaft von Weihnachten heißt: Weihnachten ist nicht heile Welt – aber an Weihnachten beginnt das Heil. Es kommt in die Welt. Das ist ein riesiger Unterschied: kein Ist-Zustand. Sondern ein Anfang. Mit der Geburt des Jesuskindes hat etwas begonnen. Da blitzt etwas auf.
In all der Armut und Verzweiflung des Viehstalls in Bethlehem. Und auch in all der Armut und Verzweiflung unserer Tage, in Krisen und Krieg. Auch wenn das Himmelreich noch längst nicht vollendet ist, es hat angefangen, hier auf der Erde. Das ist eine tolle Botschaft. Sie gibt Hoffnung, Kraft und Mut. Durchzuhalten. Gottes Willen zu tun. Sich einzusetzen. Für die Mitmenschen. Für das Gute.
Weihnachten: Zeit der Besinnung und Reflexion
Diese Botschaft heißt „frohe“ Botschaft. Und deshalb darf man sie auch feiern. Wie einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Eine Ahnung der heilen Welt.
Also: Nichts gegen ein bisschen heile Welt zum Weihnachtsfest; wem es gelingt, dem sei es gegönnt. Aber wenn die unheile Welt dann doch mit Macht an die Tür klopft – dann sei an die ursprüngliche Idee von Weihnachten erinnert: Die Heilung hat begonnen. Noch einmal: Wie kann ich in Zeiten von Krieg und Krisen Weihnachten feiern? Hier ein paar Gedanken dazu.
Besinnlichkeit: Weihnachten kann zu einer Zeit der Besinnung und Reflexion werden. Was gibt mir Hoffnung? Kann ich Kraft finden, um nicht den Mut zu verlieren und über eine bessere Zukunft nachzudenken, mich dafür zu engagieren?
Weihnachten feiern trotz Krieg und Krisen
- Gemeinschaft und Solidarität: Anderen Menschen helfen ist ein großartiger Weg, der eigenen Ohnmacht zu begegnen. Vielleicht kann ich nicht die Welt retten – aber doch dem Menschen nebenan helfen. Dem Einsamen ein kleines Geschenk vorbeibringen, etwas Zeit zum Plaudern. Das kann man auch tun, wenn man selbst einsam ist. Alte Freunde treffen oder anrufen.
- Spenden: sind auch ein Akt der Nächstenliebe, zum Beispiel für Brot für die Welt.
- Tradition: Wenn es kriselt, kann Alt-Vertrautes aus Kindertagen Halt bieten.
- Und nicht zuletzt: einen Gottesdienst besuchen. Gerade, wenn man schon lange nicht mehr in der Kirche war.