Gegen drohende Einschränkungen im Sozialbereich haben am Donnerstag mehrere Tausend Menschen vor dem Düsseldorfer Landtag demonstriert. Das „schleichende Sterben der sozialen Infrastruktur“ nähmen die Sozialverbände nicht hin, sagte der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege in NRW, Christian Woltering. Sparmaßnahmen bedrohten sowohl die Pflege als auch die Erziehung in Kitas und Offenen Ganztagsschulen. Die Veranstalter bezifferten die Zahl der Demonstranten mit 25.000. Die Polizei vor Ort sprach von rund 20.000 Menschen.
Angebote von Kita über Offene Ganztagsschule bis hin zu Betreuungsvereinen, Beratungsstellen oder Pflege müssten reduziert oder geschlossen werden und es drohten Insolvenzen, warnte Woltering. Es geht hier nicht um „Sozialklimbim‘“, sondern um Daseinsvorsorge. Das Land müsse das soziale Gewissen Deutschlands bleiben.
Zur Demonstration anlässlich einer Anhörung im Finanzausschuss des Landtages hatten sich etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Bestatter oder Sargträger verkleidet. Über der Menge schwebten grüne Luftballons mit der Aufschrift: „NRW, bleib sozial“, dem Motto der Kampagne.
Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege steht die soziale Infrastruktur in NRW wegen geplanter Einsparungen im Landeshaushalt „an einem Kipppunkt“. „Die schwarze Null bricht uns das Genick“, erklärte der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Wenn der Haushalt der Landesregierung für das nächste Jahr nicht stärker in den Sozialbereich investiere, werde die soziale Infrastruktur kaputtgespart. Woltering forderte, die soziale Infrastruktur in den Bereichen Pflege und Erziehung so auszustatten, dass „die Mitarbeitenden von ihrer Arbeit leben“ könnten.
Die Diakonie und die evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen hatten bereits Anfang dieser Woche ein Defizit von 100 Millionen Euro für ihre 1.800 Kindertagesstätten beklagt. Die Lücke sei entstanden, weil das Land eineinhalb Jahre verspätet Ausgleichszahlungen für höhere Löhne sowie gestiegene Energiekosten leistete, hatte die Diakonie erklärt. Die Kirchen und die Diakonie sehen die Kinder- und Jugendangebote bedroht. Sie fordern das Land auf, die akute finanzielle Lücke bei Kitas schnell zu schließen und Kosten termingerecht zu erstatten.
Die SPD im NRW-Landtag unterstützte die Proteste. „Die Landesregierung schaut taten- und hilflos dabei zu, wie die soziale Infrastruktur in NRW immer weiter auf Verschleiß gefahren wird – bis sie irgendwann gar nicht mehr funktioniert“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Jochen Ott. „Die Träger sozialer Einrichtungen müssen deutlich entlastet werden und brauchen eine solide Grundfinanzierung.“ Allein für die Kitas sei „ein Rettungspaket in der Größenordnung von 500 Millionen Euro notwendig“, betonte er.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer verwies darauf, dass die Landesregierung mit der Überbrückungshilfe für die freien Träger sowie der Erhöhung der Dynamisierung der KiBiz-Pauschale „wichtige finanzielle Unterstützungen für die Kita-Landschaft auf den Weg gebracht“ habe. Sie warnte davor, in Zeiten begrenzter Ressourcen „verschiedene wichtige Bereiche“ gegeneinander auszuspielen. „Deshalb müssen wir die politische Auseinandersetzung führen, welchen Stellenwert die sozialen Einrichtungen in unserer Gesellschaft haben“, sagte sie. Kitas, offener Ganztag und soziale Einrichtungen seien „im Zweifel wichtiger als die schwarze Null im Haushalt“.