Sie bilden eins der jüngsten “Tatort”-Teams: Die Bremer Kommissarinnen Linda Selb und Liv Moormann ermitteln seit vier Jahren gemeinsam. Den Schauspielerinnen hinter den Figuren hilft, dass sie den gleichen Humor teilen.
Dieser Weihnachts-“Tatort” ist wenig besinnlich: Am Sonntag zeigt das Erste den Fall “Stille Nacht” um einen Mord an Heiligabend – ein Kapitän wurde im Heimaturlaub erschossen. Luise Wolfram (37) und Jasna Fritzi Bauer (35) spielen die Kommissarinnen. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sprechen beide Darstellerinnen über Weihnachtsrituale, die langweiligste Rolle beim Krippenspiel und die Krimi-Versessenheit der Deutschen.
KNA: Die Kommissarinnen sind in Ihrem aktuellen “Tatort” beide froh, Weihnachten nicht mit ihren Familien verbringen zu müssen. Wie ist das bei Ihnen?
Luise Wolfram: Bei mir ist es das komplette Gegenteil: Ich bin Weihnachten sehr gerne mit der Familie zusammen und freue mich total, wenn ich da frei habe. Früher am Theater ging das oft nicht, da musste man manchmal an allen Weihnachtsfeiertagen spielen. Ich empfinde es als großen Luxus, dass ich das in diesem unsteten Job heute oft schaffe, die Weihnachtstage freizuhalten, und mich dann auch komplett einer festlichen Stimmung hingeben kann.
Jasna Fritzi Bauer (die das Interview vom Auto aus führt, in dem auch ihre sechsjährige Tochter sitzt): Wir feiern schon gerne Weihnachten, oder, Zoe?! (Zoe (begeistert): Ja!!! Bauer lacht.) Wir fahren immer zu unseren Familien. An Weihnachten sind wir bei der Oma, am nächsten Tag beim Opa, und dann wieder bei der anderen Oma. Und dann feiern wir auch noch Chanukka mit Freunden. Die Feiertage sind voll gefüllt – das ist immer stressig, aber es macht auch Spaß!
Wolfram: Wir feiern in der erweiterten Großfamilie. Unsere Rituale verändern sich alle paar Jahre ein bisschen, zum Beispiel beim Kirchgang: Da gibt”s ein Lager, das gerne in die Kirche geht, und die anderen, die das nicht wollen. Ich schwanke hin und her, gehe mal mit, mal nicht. Das verbinde ich sehr mit früher: In meiner Kindheit war dieser Kirchgang an Weihnachten total gesetzt. Und ich mochte auch das Krippenspiel.
KNA: Haben Sie auch mal selbst mitgespielt?
Wolfram: Ja, ich war die Maria. Ich fand es dann aber schockierend, dass es doch eine eher langweilige Rolle war. Ich weiß noch, dass ich währenddessen dachte, dass die anderen Rollen viel cooler sind. Die Maria hat ja kaum Text! Und den Weihnachtsmann habe ich auch schon hie und da gegeben, bei Freunden. Ich mag dieses Ritualisierte an Weihnachten sehr, die verschiedenen Elemente, die es zu einem Fest machen: Die Musik, das Essen, die Gerüche… Überhaupt, da so eine Anstrengung reinzulegen, dass eine festliche Stimmung entsteht. Das ist etwas, was im Alltag oft untergeht. Es passiert ja auch nichts Schlimmes, wenn man es nicht macht. Aber es passiert eben etwas sehr sehr Schönes, wenn man es macht!
KNA: Was genau passiert dann?
Wolfram: Es hat mit Besinnlichkeit zu tun. Und mit Gemeinschaft. Die wertschätzt man durch diese Vorbereitungen auch mehr. Außerdem bin ich eine leidenschaftliche Schenkerin. Ich werde auch gerne beschenkt, aber noch lieber befasse ich mich damit, was ich schenken könnte. Bei aller Konsumkritik: Mit diesem puren Akt des Schenkens kann ich viel anfangen!
KNA: Ihr aktueller “Tatort” handelt von Einsamkeit, Schuld, schwierigen Familienverhältnissen, Alkoholismus. Wieso kommen viele Konflikte, die das Jahr über unterm Teppich bleiben, an den Festtagen zum Ausbruch?
Wolfram: Die Statistiken sind ja tatsächlich gar nicht gut, was Weihnachten und Gewaltdelikte, Scheidungs- oder Suizidraten anbelangt. An Weihnachten setzen sich die Menschen einander aus. Und die Konflikte, denen man sonst aus dem Weg geht, die sind natürlich untergründig da. Und haben dann eine Chance, gerne in Verbindung mit Alkohol, sich ihren Weg nach oben zu suchen.
Bauer: Unter dem Deckmantel der Besinnlichkeit kochen viele Probleme hoch – weil die Familien ja oft auch ein bisschen gezwungenermaßen zusammen sind.
KNA: Im Film sagt eine Figur: “Wir freuen uns immer, nach Bremen zu kommen!” Wie ist das bei Ihnen?
Bauer: Wir freuen uns auch immer, nach Bremen zu kommen – das ist inzwischen ein bisschen wie nach Hause kommen!
Wolfram: Würde ich so unterschreiben. Bremen hat ein ganz eigenes Flair, was wir jetzt über die Jahre auch so richtig in seiner Originalität zu spüren bekommen haben. Und wir haben durch die Drehs auch schon echt viele Ecken gesehen. Obwohl der Bahnhof für sich genommen jetzt nicht so schön ist, fahre ich da trotzdem gerne ein! (beide lachen)
KNA: “Stille Nacht” ist ihr sechster gemeinsamer Fall. Wenn Sie an die Anfänge 2020 zurückdenken: Inwiefern hat sich die Zusammenarbeit verändert?
Bauer: Gar nicht (lacht)! Wir kannten uns ja schon vorher, von der Schauspielschule, und haben uns von Anfang an sehr gut verstanden – und das ist auch weiterhin der Fall.
Wolfram: Es hat sich ein bisschen von außen verändert: Dass wir erst zu dritt gestartet sind, zusammen mit Dar Salim, und dann zu zweit verblieben sind. Ein Zweierteam bringt nochmal eine ganz andere Konzentration mit sich. Die Figuren Liv und Linda sind eng im Austausch, und Luise und Jasna sind das aber auch. Es ist hilfreich, wenn man sich gut kennt, gegenseitig den Rücken stärkt und auch denselben Humor hat.
KNA: Ihre Figuren sind sehr unterschiedlich, Linda Selb ist etwas verschroben, Liv Moormann eher der schnoddrige Typ – könnten diese beiden auch im echten Leben miteinander?
Bauer: Ich sag mal so: Gegensätze ziehen sich an. Ich weiß nicht, ob die privat Freundinnen geworden wären. Aber ich denke mal, wenn die sich auf der Arbeit treffen würden, dann würde das auch in der Realität funktionieren. Oder, Luise?
Wolfram: Ich glaube schon. Das ist ja bei der Arbeit das Besondere: dass man einander so ausgesetzt ist, auch wenn man sich in der freien Wildbahn abends in einer Bar nicht unbedingt den Cocktail geteilt hätte (lacht). Aber durch dieses intensive Zusammenarbeiten kann ein Miteinander entstehen. Und da sind sich die beiden Figuren dann doch wieder ziemlich ähnlich, weil sie beide sehr ehrgeizig darin sind, die Fälle zu lösen – da haben sie am Ende mehr Gemeinsamkeiten, als man auf den ersten Blick denkt.
KNA: Wie lange wollen Sie das Amt der “Tatort”-Kommissarinnen noch ausüben? Bis zur Rente?
Bauer: Also im Moment macht es uns noch Spaß. Bis zur Rente (lacht) – keine Ahnung. Aber wir bleiben Bremen sicher noch ein paar Fälle lang erhalten.
KNA: Was unterscheidet eine Rolle als “Tatort”-Kommissarin in Sachen öffentliche Wahrnehmung von anderen Rollen?
Wolfram: Die Quoten für die verschiedenen Städte und Teams sind ja eigentlich unglaublich. Dass so ein Fall teils von acht Millionen Menschen geguckt wird! Ich finde das jedes Mal wieder besonders. Dieses Format hat eine spezielle Stellung hier in Deutschland, das lebt von dieser Routine und diesem Sonntagabend-Sendeplatz. Ich finde es sehr schön, meine Arbeit mit so vielen Leuten teilen zu können.
KNA: Schauen Sie privat Krimis? Oder nervt Sie das Krimi-Überangebot im deutschen Fernsehen selbst ein bisschen?
Bauer: Ich habe erst vorgestern zwei “Tatorte” geguckt. Wir gucken daheim, wenn wir es zeitlich schaffen, tatsächlich fast jeden Sonntag den “Tatort”.
Wolfram: Ich kann mich schon auch für das Genre Krimi begeistern – merke beim Schauen allerdings auch, dass ich mit den Jahren dünnhäutiger werde. Aber das Prinzip, dass jemand Unrecht treibt und man dem auf die Spur kommen muss, das gefällt mir grundsätzlich. Gleichzeitig finde ich aber auch, dass in Deutschland überproportional viel Krimi produziert wird.
KNA: Wieso sind die Deutschen so versessen auf das Genre?
Bauer: Gute Frage!
Wolfram: Das ist so ein bisschen wie die Sache mit der Henne und dem Ei…
Bauer: Was war zuerst da, der Deutsche oder der Krimi? (lacht)
Frau Bauer, Sie sind im Sommer damit an die Öffentlichkeit gegangen, dass Sie mit der Künstlerin Katharina Zorn zusammenleben und gemeinsam eine Tochter großziehen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen, und wieso gerade dieser Zeitpunkt?
Bauer: Erstens, weil meine Tochter jetzt groß ist und das dann auch irgendwann versteht. Und zweitens hat sich das angeboten, angesichts dieses schrecklichen Rechtsruck in der Welt. Weil gerade auch in Deutschland diese rechten Strukturen und dieses Öffentlich-Rechts-Sein so groß geworden sind. Ich glaube, dass man zu sich stehen und auch für andere Leute da sein muss. Nur so kann man die Welt verändern. Indem man zeigt, dass das Leben vielfältig und anders sein kann – und nicht nur heteronormativ. Das wurde auch gut aufgenommen, es gab wenig Gegenwind. Wir sind total happy mit unserem Outcome.