Bashar Abdo und Ameer Ghazy sind aus Syrien nach Deutschland geflohen. Was die beiden verbindet und worin sie sich unterscheiden – zwei Beispiele dafür, wie divers die syrische Community in Deutschland ist.
Den Sturz des Assad-Regimes in Syrien hat Bashar Abdo auf dem Smartphone verfolgt. “Es macht mir Angst zu sehen, wie Abu Mohammed al-Dschulani mit seiner Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham von den Medien gefeiert wird”, sagt der 34 Jahre alte Syrer. Während er spricht, sitzt er angespannt auf seinem Bürostuhl in der Bonner Telekomzentrale und umklammert einen Kaffeebecher.
2013 floh der damalige IT-Student aus Aleppo, weil er nach dem Examen zum Militär gehen sollte, wie er sagt. “Ich war neun Monate lang in der Türkei und dachte, der Krieg ist bald zu Ende”, erinnert er sich. Heute lacht er über diesen Satz. An ein Ende des Krieges glaubt er nicht mehr – auch nicht nach den Ereignissen der vergangenen Woche.
Abdo, der fließend Deutsch spricht, arbeitet seit drei Jahren als Data Engineer. Nebenbei ist er bei den Grünen engagiert, fährt Rad und geht dreimal in der Woche mit seinen Freunden schwimmen. “Ich bin froh, dass Assad und seine Familie nach 54 Jahren weg sind”, sagt er. “Sie haben Menschen getötet und gefoltert.”
Er wünscht sich nach eigenen Worten nichts sehnlicher, als ohne Angst nach Aleppo zurückzukehren, noch einmal durch den Olivenhain seines Vaters zu spazieren und im elterlichen Haus einen Tee zu trinken. Doch für immer zurückgehen könne er nicht: Seine Familie gehöre der kurdischen Minderheit im Land an, die täglich Gewalt erlebe.
“Ich habe Bedenken, dass die Leute von Haiat Tahrir al-Scham nicht besser sind als Assad. Sie sind eine Terrororganisation”, sagt er. Seine Tante, die anders als der Rest der Familie in Syrien geblieben sei und sich um die 500 Olivenbäume der Abdos kümmere, berichte täglich über Gewalt gegen Kurden. Erst vor ein paar Tagen habe sie erzählt, wie Abdos Cousin ohne Grund verhaftet worden sei und jetzt gefoltert werde. “Als Kurde hast du in Syrien keine Zukunft”, sagt Abdo.
Der Ingenieur warnt davor, junge Syrer und besonders Kinder, die in Deutschland gut integriert seien, jetzt überstürzt zurückzuschicken. “Sie sind nach so vielen Jahren Fremde für Syrien. Das ist nicht einfach. Dazu kommt, dass die Infrastruktur durch den Krieg komplett zerstört ist.”
Für seine nicht-kurdischen Landsleute, die aus eigenem Willen jetzt in die Heimat zurückkehren wollen, zeigt er dennoch Verständnis. “Wer religiös ist und die Mentalität Haiat Tahrir al-Schams hat, kann in Syrien jetzt vielleicht besser leben.”
Während Abdo an die Olivenhaine seines Vaters denkt, erinnert sich Ameer Ghazy an den süßen Duft von Jasmin in Damaskus. Zu Hunderten sei das Blümchen in den Straßen seiner Heimatstadt gewachsen, bevor es ab 2012 dem Geruch von Bomben und Munition habe weichen müssen.
Heute lebt der 32 Jahre alte Katholik mit seiner Familie in Berlin-Moabit, ist verheiratet und hat eine Tochter. In Syrien hatte er ein Importgeschäft mit Maschinenbauteilen, in Deutschland hat er in diesem Jahr ein Unternehmen gegründet, das Software und Social-Media-Marketing vertreibt. Von Anfang an sei es sein Ziel gewesen, anzukommen und zur Mitte der Gesellschaft zu gehören, wie er sagt.
In Syrien sei er geboren, Deutschland sei seine Heimat. Er habe nicht nur die deutsche Staatsbürgerschaft, sondern er fühle sich auch als Deutscher – auch wenn ihm manche das absprächen. Schließlich habe er den größten Teil seines Erwachsenenlebens in dem Land zwischen Nordsee und Alpen verbracht.
Die Diskussion um eine Rückkehr der syrischen Community versteht er nicht. “Ich habe inzwischen eine Familie hier – wie viele meiner syrischen Freunde.” Anstatt Rückführungsdebatten zu führen, wünscht sich Ghazy von der Bundesrepublik mehr Engagement in seinem früheren Heimatland. Die Zukunft gehöre den Syrerinnen und Syrern, den Rückzug internationaler Großmächte sehe er positiv.
In seiner Berliner Wohnung riecht es noch nach seiner Geburtsstadt Damaskus, denn er hat ein Fläschchen mit Jasminduft gekauft. Wenn ihn jemand fragt, ob das nicht nur ein Duft für Frauen sei, sagt er: “Nein, Jasmin ist für alle da.”