Es sind Bilder der Freude und Erleichterung: Die Menschen laufen jubelnd über die Straßen und schwenken Fahnen – in Damaskus genauso wie in Deutschland von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen. Die Freude ist mehr als berechtigt: Baschar al-Assad ist Geschichte. Syriens kaltblütiger Diktator hat zahllose Menschenleben auf dem Gewissen und attackierte ganze Städte mit Chemiewaffen.
Doch leider ist es überhaupt keine ausgemachte Sache, dass jetzt in Syrien die Demokratie ausbricht. Rebellenführer Muhammad al-Dscholani gibt sich zwar alle Mühe, in Interviews möglichst staatsmännisch daherzukommen. Doch Vorsicht ist geboten. Er ist Chef der Miliz Hajat Tahrir al-Scham, die früher mit Al-Kaida kooperierte und von Experten heute noch als Terrorgruppe eingeschätzt wird. Al-Dscholani sagt, er habe mit Al-Kaida gebrochen. Doch wie glaubhaft solche Aussagen sind, wird sich erst zeigen, wenn die Rebellen ihre Macht in Syrien gefestigt haben. Offen ist auch, wie al-Dscholani mit Minderheiten umgehen wird, zum Beispiel der christlichen.
Syrien: Arabischer Frühling als abschreckendes Beispiel
Ein Blick auf den arabischen Frühling zeigt, dass nach dem Sturz einer Diktatur in der arabischen Welt keine Demokratie folgen muss. Die Menschen in vielen Ländern waren damals froh, ihre Tyrannen losgeworden zu sein, sind aber von einer Schreckensherrschaft in die nächste gestolpert, siehe Ägypten oder Tunesien. Auch das sollte ein warnendes Beispiel sein.
Momentan scheint für Syrien alles möglich zu sein: von einem friedlichen prosperierenden Land bis zu einem zweiten Gottesstaat nach dem Vorbild Afghanistans. Deshalb ist die internationale Gemeinschaft gefordert, Einfluss auf die Rebellen zu nehmen und das geschundene Land in eine gute Zukunft zu führen.
Wegen der unklaren Lage ist es auch populistisch, jetzt syrische Geflüchtete aus Deutschland abschieben zu wollen. Das Ziel muss ein anderes sein: in Syrien für eine hoffnungsvolle Zukunft zu sorgen, damit niemand mehr nach Europa fliehen muss.