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Studie: In Sozialen Medien wird die NS-Zeit zunehmend relativiert

Falsche Geschichte als digitaler Content: Die Bildungsstätte Anne Frank warnt vor NS-Relativierung im Netz. Und während die Direktorin politische Skepsis äußert, scheitert der Kanzlerkandidat – live zur Pressekonferenz.

Tiktok und andere digitale Plattformen zählen nach Ansicht der Bildungsstätte Anne Frank aufgrund ihrer Bedeutung zur “kritischen Infrastruktur” in Deutschland. Es gelte daher, diese entsprechend besser vor Missbrauch zu schützen, forderte die Bildungsstätte am Dienstag in Frankfurt. Soziale Netzwerke und Gaming-Seiten würden von einigen Nutzern zunehmend für die Relativierung des Holocausts genutzt. Das geht aus dem 70-seitigen Bericht “Der Holocaust als Meme – Wie in digitalen Räumen Geschichte umgedeutet wird” hervor, den die Bildungsstätte jetzt veröffentlichte.

Besonders besorgniserregend sei “die Verwischung der Grenzen zwischen vermeintlich unpolitischen Formaten, kreativen Verarbeitungs- beziehungsweise Aneignungsprozessen und ideologischer Aufladung”, heißt es darin. Onlineplattformen wie Tiktok, Instagram oder Computerspiel-Seiten und mit Künstlicher Intelligenz erzeugte Inhalte prägten in erheblichem Maße die Erinnerungskultur junger Menschen.

In digitalen Räumen werde “die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit zunehmend zur Bühne für politische Deutungskämpfe”, so der Bericht. Die dort erreichte Reichweite und Intensität könne weder von klassischen Medien noch vom Schulunterricht eingeholt werden. Der Report schlägt “digitale Streetwork-Arbeit” vor sowie das Werben für Bildungsangebote direkt auf den Plattformen.

“Ein massiver Ausbau auf der Angebotsseite wäre – 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und dem Ende des deutschen Faschismus – eine zeitgemäße Antwort auf die Frage nach der Zukunft der Erinnerungskultur”, heißt es weiter.

Grundsätzlich positiv sei jedoch, dass jüngere Menschen sich weiterhin stark für Geschichte interessierten und diskussionsfreudig sowie lernbereit seien. Plattformen könnten also auch “qualitativ hochwertiger Geschichtsvermittlung” anbieten.

Kritik äußerte die Bildungsstätte an einem von ihr wahrgenommenen Hin- und Herschieben politischer Verantwortung zwischen Bund und Ländern. Es sei oftmals unklar, welche Ebene sich für Entwicklungen im digitalen Raum zuständig fühle.

Das geplante Digitalministerium der neuen Bundesregierung solle daher federführend eine umfassende Strategie für Bund und Länder entwickeln, forderte die Direktorin der Bildungsstätte, Deborah Schnabel – und fügte Zweifel an, ob ein solches Projekt schnell zu realisieren ist.

Zeitgleich zum Pressegespräch scheiterte im Deutschen Bundestag vorerst die Wahl des designierten Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU). Die Skepsis der Direktorin in die politische Handlungsfähigkeit dürfte damit eher wachsen.