Ein Frau machte vor zweieinhalb Jahren den Missbrauch durch einen evangelischen Diakon in den 1970er Jahren öffentlich. Eine Studie zeigt unter anderem, dass es viel mehr Opfer gab.
Eine Studie belegt schwere Versäumnisse der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers im Umgang mit Missbrauchsfällen in Oesede bei Osnabrück. Eine Betroffene unter dem Pseudonym Lisa Meyer hatte vor zweieinhalb Jahren öffentlich gemacht, dass sie 1973 und 1974 als Zehnjährige von einem Diakon der König-Christus-Gemeinde sexuell missbraucht wurde. Laut der am Dienstag in Hannover veröffentlichten Untersuchung einer Aufarbeitungskommission gab es weitere Opfer. Verantwortungsträger hätten aber weitere Taten vermeiden können, wenn der Missbrauch Meyers nicht vertuscht worden wäre.
Erst vor einem Monat hatten unabhängige Forscher die erste bundesweite Missbrauchsstudie für die evangelische Kirche und die Diakonie vorgestellt. Demnach fanden sich Hinweise auf 2.225 Betroffene und 1.259 Beschuldigte in kirchlichen Akten für die Jahre 1946 bis 2020. Zudem stellten die Wissenschaftler Kirche und Diakonie im Umgang mit Missbrauchsfällen ein schlechtes Zeugnis aus.
Der juristischen Teil der Oesede-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es neben Meyer mindestens sieben weitere Opfer sexualisierter Gewalt des Diakons gab. Neben Meyer seien drei Betroffene den Verantwortungsträgern bekannt gewesen. Haupt- wie Ehrenamtliche hätten die Taten vertuscht. Von der ersten Kenntnisnahme der Fälle durch den Gemeindepastor bis zur Entlassung des Diakons seien neun Monate vergangen. In dieser Zeit sei der Diakon von seinen Aufgaben, die ihm den Umgang mit Kindern und Jugendlichen ermöglichte, nicht entbunden worden, so der der ehemalige Vorsitzende Richter am Landgericht Hannover, Wolfgang Rosenbusch.
Der sozialwissenschaftliche Teil der Hamburger Professorin Christa Paul nennt es ein großes Versäumnis der Landeskirche, dass sie die Gemeinde in Oesede über eine Missbrauchsmeldung im Jahr 2010 nicht informiert hat. Damit sei eine zeitnahe Aufarbeitung unterblieben.
Darüber hinaus ergab die sozialwissenschaftliche Untersuchung, dass die “Ansprechstelle Sexualisierte Gewalt” der Landeskirche bis in die 2020er Jahre personell unzureichend ausgestattet gewesen sei. Nachdem Meyer ihren Fall 2020 öffentlich gemacht habe, seien kirchliche Mitarbeitende vor Ort nicht vom Landeskirchenamt unterstützt worden. Zudem habe Meyer bis in die Gegenwart mit der Landeskirche immer wieder negative Erfahrungen gemacht.