Fast die Hälfte der Menschen in Schleswig-Holstein kennt das Gefühl der Einsamkeit. Das zeigt der erste Einsamkeitsreport Schleswig-Holstein der Techniker Krankenkasse (TK), der am Mittwoch in Kiel vorgestellt wurde. Bei der repräsentativen Befragung gaben 49 Prozent an, häufig, manchmal oder zumindest selten einsam zu sein. Jüngere zwischen 18 und 39 Jahren, Senioren und kranke Menschen sind besonders stark betroffen. Das Forschungsinstitut Forsa hatte im Auftrag der TK 1.001 Menschen in Schleswig-Holstein zwischen dem 27. Mai und dem 17. Juni 2024 per Telefon befragt. Die Befragung ist die erste umfassende repräsentative Einsamkeitsstudie für Schleswig-Holstein.
„Schleswig-Holstein liegt zwar unter dem Bundesdurchschnitt, aber auch hier ist Einsamkeit ein großes Thema“, sagte der Leiter der TK-Landesvertretung, Sören Schmidt-Bodenstein. Bei jüngeren Menschen ist oft der Übergang von Schule zum Studium problematisch, wenn bestehende Freundschaften durch den Umzug in eine andere Stadt enden und neue Kontakte erst geknüpft werden müssen.
Laut der TK-Studie sprechen die wenigsten der befragten Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner darüber, wenn sie sich einsam fühlen. Bei Männern liegt der Anteil mit 79 Prozent noch höher als bei den Frauen mit 65 Prozent. Als einen Grund für Schweigen geben 52 Prozent der Befragten an, dass es ohnehin nicht helfen würde, darüber zu sprechen.
Kommunikation sei aber besonders wichtig, um aus der Einsamkeit wieder herauszukommen, erklärte Schmidt-Bodenstein. Es gebe bereits niedrigschwellige Angebote wie Stadtteilcafés, von denen diese Menschen aber oft nur im Austausch mit anderen erführen. Philipp Bergmann, Facharzt für Innere Medizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, erklärte, dass gerade für Senioren die Hausarztpraxis oft der einzige soziale Kontakt sei. „Die Allgemeinmediziner müssen dann die richtige Diagnose stellen und auch hinter den Schmerz gucken.“
Einsamkeit und gesundheitliche Beschwerden hängen der Studie zufolge nämlich oftmals zusammen. Menschen, die sich immer, manchmal oder zumindest selten einsam fühlen, gaben häufiger gesundheitliche Beschwerden an als andere. Dazu gehörten Müdigkeit (44 gegenüber 26 Prozent), niedergedrückte Stimmung (26 gegenüber 8 Prozent), Erkrankungen des Bewegungsapparates (56 gegenüber 45 Prozent), Erschöpfung (40 gegenüber 29 Prozent) sowie Kopfschmerzen oder Migräne (21 gegenüber 12 Prozent).
Bergmann betonte, dass das Gefühl der Einsamkeit etwa aus einer chronischen Krankheit resultieren könne. „Wenn jemand ständig an Durchfall leidet, kann er viele Verabredungen nicht wahrnehmen. Die sozialen Kontakte brechen ihm dann oft weg.“ Umgekehrt könne Einsamkeit auch der Grund für Krankheiten sein oder bestehende Krankheiten verstärken, weil die Menschen keine soziale Kontrolle durch Familie und Freunde hätten und ihre Gesundheit oftmals vernachlässigten. „Immer nur für sich selbst zu kochen – das machen viele nicht“, sagte der Arzt.
Den meisten Befragten tut ein Spaziergang in der Natur gut, um aus der Isolation herauszukommen. Fernsehen gucken oder den Haushalt führen sind weitere beliebte Exit-Strategien der Schleswig-Holsteiner. Während Frauen auch gerne lesen oder sich um den Garten kümmern, zocken die Männer vergleichsweise häufiger vor einem Bildschirm oder trinken ein Glas Wein oder ein Bier.
Schmidt-Bodenstein hält es für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese Menschen aus der Isolation zu holen. „Jeder kann seinen Beitrag leisten, wachsam durch die Stadt gehen und sich bewusst machen: Für die Seniorin im Supermarkt ist der Schnack mit der Kassiererin vielleicht der einzige Kontakt in der Woche.“ Menschen bräuchten den Austausch mit anderen, um gesund zu bleiben.
Deutschlandweit kennen rund 60 Prozent der Menschen Einsamkeit, wie Forsa ebenfalls im Auftrag der TK für einen bundesweiten Einsamkeitsreport 2024 ermittelte. Dazu befragte das Institut im Mai dieses Jahres 1.403 Menschen.