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Streit um den Paragrafen 218

Eine große Gruppe von Abgeordneten will noch vor der Bundestagswahl das Abtreibungsrecht liberalisieren. Am Montag findet dazu eine Sachverständigenanhörung statt. Ob es aber noch zur Abstimmung kommt, ist fraglich. Worum geht es konkret? Ein Überblick zum Streit um den Paragrafen 218:

Wie ist die derzeitige Rechtslage?

Nach dem Strafrechtsparagrafen 218 ist der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland grundsätzlich verboten, bleibt aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Dazu zählen laut Paragraf 218a die Bedingungen, dass zuvor eine Beratung stattgefunden hat und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind. Eine Abtreibung ohne vorherige Beratung ist möglich, wenn das Leben der Mutter andernfalls gefährdet würde oder die Frau vergewaltigt wurde. In diesen Fällen sind auch Abtreibungen nach der zwölften Woche möglich.

Was soll geändert werden?

Abgeordnete aus den Reihen der SPD, der Grünen und der Linken haben einen Gruppenantrag in den Bundestag eingebracht, um Abtreibungen in der Frühphase der Schwangerschaft zu entkriminalisieren. Sie sollen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legal sein. Die Beratungspflicht für Frauen soll beibehalten, die Wartezeit von drei Tagen zwischen Beratung und Abbruch aber gestrichen werden. Die Kosten sollen künftig die Krankenkassen übernehmen.

Was spricht dafür?

Befürworterinnen und Befürworter einer Liberalisierung argumentieren, dass die derzeitige Kriminalisierung von Frauen, die abtreiben wollen, schwer mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen über den eigenen Körper vereinbar ist. Die derzeitige Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen sei nicht haltbar, resümierte auch die in dieser Wahlperiode von der Bundesregierung eingesetzte Expertinnenkommission, die die Rechtslage einer kritischen Prüfung unterzogen und eine Regelung ähnlich der im Gruppenantrag empfohlen hat. Als Argument für eine Entkriminalisierung und damit verbundene Kostenübernahme durch die Kassen wird oft auch die Studien zufolge in manchen Regionen schlechte Versorgungslage angeführt.

Was sagen Kritiker?

Befürworter und Befürworterinnen der jetzigen Rechtslage betonen, dass das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau mit dem Schutz des Lebens des ungeborenen Kindes in Einklang gebracht werden muss. Sie halten den seit 1995 geltenden Paragrafen für einen guten gesellschaftlichen Kompromiss. Sie verweisen zudem auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die zur jetzigen Rechtslage geführt haben.

Wie viele Schwangerschaftsabbrüche gibt es in Deutschland?

2023 gab es laut Statistischem Bundesamt 106.000 Schwangerschaftsabbrüche. Das waren rund zwei Prozent mehr als im Jahr davor. Die überwiegende Mehrheit der Abtreibungen (96 Prozent) erfolgten auf Grundlage der Beratungsregelung. In vier Prozent der Fälle war eine medizinische Indikation der Grund, oder der Schwangerschaft war eine Vergewaltigung vorausgegangen.

Wie wahrscheinlich ist eine Änderung der Rechtslage noch vor der Wahl?

Es ist nicht undenkbar, dass es im aktuellen Bundestag eine Mehrheit für eine Änderung gibt. 320 der 733 Abgeordneten des Bundestags haben den Gruppenantrag bereits unterzeichnet, und es ist wahrscheinlich, dass weitere dafür votieren würden. Es ist aber fraglich, ob es überhaupt zur Abstimmung kommt. Die Anhörung zum Gesetzentwurf am Montag findet am Abend vor der voraussichtlich letzten Plenumssitzung des Bundestags in dieser Wahlperiode statt. Um das Gesetzgebungsverfahren nach dem normalen Verfahren abzuschließen, ist die Zeit sehr knapp. Mit in der Geschäftsordnung vorgesehenen Fristverkürzungen wäre es theoretisch denkbar.